Bei der 70-Jahr-Feier des
Gemeindebundes wurde nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft
geblickt. Gemeindebund-Chef Riedl und Landeshauptmann Wallner
bekräftigten den Wunsch nach einem Plan für die Pflege. Gen-Forscher
Markus Hengstschläger hielt eine vielbeachtete Festrede.
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl lud am 21.
März 2018 zur Feier des 70-jährigen Bestehens des Österreichischen
Gemeindebundes ins Palais Niederösterreich und Österreichs Politspitze
folgte dem Aufruf zahlreich. Als Bundesvertreter erschienen
Bundeskanzler Sebastian Kurz, Wirtschaftsministerin Margarethe
Schramböck, Staatssekretärin Karoline Edtstadler und der ehemalige
Bundespräsident Heinz Fischer, der noch in seiner aktiven Amtszeit
keinen einzigen Gemeindetag verpasste. Aber auch die Landesebene war mit
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Vorarlbergs
Landeshauptmann Markus Wallner stark vertreten. Wiens Bürgermeister
Michael Häupl kam in seiner Rolle als Städtebund-Präsident. Darüber
hinaus waren zahlreiche hohe Vertreter/innen aus den öffentlichen
Institutionen und die ehemaligen Präsidenten des Gemeindebundes, die
Präsidenten der Landesverbände sowie die Mitglieder des Bundesvorstands
zu Gast.
Riedl: "Selbstverwaltung als Erfolgsgarant"
"Die ausgeprägte Selbstverwaltung unserer Städte und
Gemeinden ist der Erfolgsgarant in einer Republik, die zugleich
Einheit, aber auch die Summe unserer Vielfalt ist", betonte Riedl in
seiner Rede. Vor den mehr als 200 Gästen sprach der Gemeindebund-Chef
weniger über die Vergangenheit, als vielmehr über die Zukunft.
Anhand dreier Gedanken skizzierte Riedl seine
wichtigsten Forderungen für die Zukunft: Der erste Gedanke beschäftigte
sich mit der Subsidiarität. "Wir brauchen hier ein ganz starkes
Bekenntnis: alles, was die kleinere Körperschaft bewältigen kann, soll
eine größere nicht an sich ziehen. Das vermeidet Machtkonzentrationen,
es motiviert die Bürger und es entspricht auch den Grundsätzen der
europäischen Integration", fasste Riedl die Forderung zusammen.
Hinsichtlich einer Aufgabenreform, appellierte Riedl an alle
Verantwortungsträger diesen Gedanken ernst zu nehmen.
"Gestaltungsfreiheit schaffen"
Das Bekenntnis zu Subsidiarität ist eng mit dem
zweiten Gedanken, dem finanziellen Spielraum, verknüpft. "Heute stehen
unsere Gemeindeverwaltungen vor einer doppelten Belastung. Sie sind zu
strikter Sparsamkeit aufgefordert, ringen um die Einhaltung der
Stabilitätskriterien und bekommen laufend neue Aufgaben zu erfüllen.
Gleichzeitig aber sollen sie als größte öffentliche Investoren und als
wichtiger Arbeitgeber einen wesentlichen wirtschaftlichen Impuls für die
regionale Konjunktur liefern. Subsidiarität kann nicht und bedeutet
auch nicht, die Lasten einseitig nach unten abzugeben", kritisiert
Riedl.
Hinsichtlich des Pflegeregresses dankte er dem
anwesenden Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Hartwig Löger für die
zugesicherte Bereitschaft für Verhandlungen. Um die Pflegefinanzierung
aber nachhaltig zu lösen, braucht es aus Sicht des Gemeindebund-Chefs
aber einen Pflegekonvent, bei dem auch über die Attraktivierung der
Pflege in den eigenen vier Wänden gesprochen werden muss. Dazu
verabschiedete der Bundesvorstand des Gemeindebundes wenige Stunden
davor auch eine Resolution (die gesamte Resolution können Sie in
nebenstehender Box herunterladen).
Gemeinden nicht Verhinderer, sondern Mahner des Hausverstands
Zum Prinzip der gemeinsamen Steuereinnahmen bekannte
sich Riedl: "Der Bund hebt die Steuern ein, aber es ist eben nicht so,
dass er diese dann großzügig nach unten verteilt. Er nimmt sie gemäß
Finanzausgleich nämlich bereits in unserem Namen ein. Und es ist aus
meiner Sicht auch der effizienteste Weg."
Auch in den Bereichen Kinderbetreuung tritt der
Gemeindebund immer wieder als Mahmer auf. In diesem Bereich wurden in
den letzten Jahren etliche Aufgaben an die Gemeinden übertragen. Riedl
stellte diesbezüglich klar: "Wenn die Bundesregierung den Kindergarten
immer mehr zu einer Bildungseinrichtung ausbaut, dann muss auch für die
Finanzierung gesorgt werden. Wir sind nicht die Verhinderer, sondern die
Appellierer an den gesunden Hausverstand, wenn wir bei Vorhaben mahnen,
dass vieles einfach nicht finanzierbar sein wird."
Auch Gemeindebund muss sich modernisieren
Gemeindebund-Präsident Riedl appellierte in seiner
Rede nicht nur an alle anderen, die Weichenstellungen für die Zukunft zu
stellen, sondern sorgt auch in der eigenen Organisation dafür, dass sie
für die künftigen Herausforderungen gewappnet ist: "Unsere
Entscheidungsstrukturen müssen schneller werden. Ich habe daher eine
Reformgruppe eingesetzt, die sich bereits seit Wochen intensiv mit der
organisatorischen und strukturellen Reform des Gemeindebundes befasst."
Häupl verabschiedete sich von den Bürgermeistern
Mit dem Städtebund verbindet die kommunale
Interessensvertretung eine lange Geschichte. Gemeinsam haben sie im
Finanzausgleich und vielen anderen Materien in der Vergangenheit viel
erreicht. Daher ließ es sich Städtebund-Präsident Bürgermeister Michael
Häupl auch nicht nehmen, persönlich Grußworte an die anwesenden
Bürgermeister zu richten.
Da er in wenigen Monaten nicht nur als Wiener
Bürgermeister, sondern auch als Städtebund-Oberhaupt zurücktreten wird,
nahm er seine Rede auch zum Anlass für die jahrelange gute
Zusammenarbeit zu danken: "Ich kann mir nur intensiv wünschen, dass
diese Kooperation so fortgeführt wird, wie dies in der Vergangenheit der
Fall war."
Wallner unterstützte Forderung nach nachhaltiger Pflegelösung
"Ich trete für eine starke Partnerschaft zwischen
den Ländern aber auch mit den Gemeinden ein, weil ich glaube, dass man
viele Dinge mit einer gewissen Eigenständig miteinander gut lösen kann",
so Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner. Auch er bekannte sich zum
gemeinsamen Steuersystem: "Der Finanzausgleich ist letztlich ein
Ausgleich von Lebensinteressen und wirtschaftlichen Unterschieden.
Dadurch entsteht in der Finanzverfassung eine gegenseitige
Abhängigkeit."
Bei der Pflege kritisierte Wallner, dass öffentlich
zuviel über die Kosten gesprochen wird. "Wir deklarieren ältere
Mitbürger als Kostenproblem. Man muss die Kostenfrage ansprechen, aber
es wäre eine rasche Klärung angebracht. Außerdem müssen wir eine
Diskussion darüber führen, wie wir die ambulante Pflege zuhause stärken
können."
Wie wichtig schnelles Breitbandinternet im
ländlichen Raum ist, machte er an einem Beispiel einer kleinen
Vorarlberger Gemeinde deutlich: "Dort gibt es eine Gruppe von
Ingenieuren, die von dort aus unter anderem das elektronische Fahrsystem
der Busse in Berlin steuert. Das ist möglich, weil die Gemeinde
Glasfaser hat. Solche Beispiele wären auch in vielen anderen Gemeinden
möglich, wenn die Flächendeckung Kooperationen vorantreiben will, der
muss die steuerliche Seite so vorantreiben, dass es besser ist zu
kooperieren."
Kurz: "Bundesregierung will Partner des ländlichen Raums sein"
Bundeskanzler Sebastian Kurz streckte den Gemeinden
in seiner Rede die Hand entgegen: "Die Bürgermeister sind nicht nur
wichtige Partner für die Bevölkerung, sondern auch für die Regierung.
Österreich ist dann gut aufgestellt, wenn wir uns nicht gegenseitig
behindern oder kritisieren, sondern wenn wir gemeinsame Wege finden."
Auch er strebt eine bessere Aufteilung der Kompetenzen an. "Das Problem
ist, dass die Liste der gemeinsamen Kompetenzen unendlich lang ist. Die
Herausforderung ist, eine klarere Aufteilung zu finden. Dann wird es
noch besser funktionieren."
Aus Sicht des Bundeskanzlers gilt es, Maßnahmen zu
setzen, um den ländlichen Raum zu attraktivieren und damit dem Trend der
Urbanisierung entgegenzuwirken. "Das ist mein klares Versprechen, als
Bundesregierung Partner des ländlichen Raums zu sein", so Kurz. Das
betrifft nicht nur die Infrastruktur, sondern auch Breitband, die
Schulden und die Nachmittagsbetreuung. Die Gemeinden als Vorbild sieht
der Kanzler hinsichtlich der Budgetdisziplin: "Ich bin froh, dass wir da
als Bund von den Gemeinden lernen können und heute einen ersten Schritt
in die richtige Richtung getätigt haben."
Gen-Forscher hielt viel beachtete Rede zu Vielfalt
Seine unglaubliche Redekunst stellt einmal mehr der
bekannte Gen-Forscher Markus Hengstschläger in seiner Festrede vor dem
begeisterten Publikum unter Beweis. Mit Witz und guten Beispielen zeigte
er auf, warum eine Politik des Gleichmachens Österreich nicht für die
Zukunft rüsten wird. "Nur durch die Vielfalt der Talente und Fähigkeiten
werden wir die uns noch unbekannten Herausforderungen der Zukunft
meistern können. In der Förderung dieser Vielfalt können die Gemeinden
unheimlich viel beitragen", so Hengstschläger.
Ein weiteres Highlight der Feier war die
Uraufführung des Marsches für die Gemeinden und Städte Österreichs, der
dem Gemeindebund-Präsidenten gewidmet und von der Militärmusikkapelle
Niederösterreich präsentiert wurde. Durch die Veranstaltung führte
ORF-Moderatorin Nadja Mader, weitere musikalische Einlagen lieferten das
Cello-Ensemble des Jugendsinfonieorchesters Niederösterreich und die
Jazzcombo der Militärmusik NÖ.