Mit dem Beschäftigungsprogramm
"Aktion 20.000" sollen Langzeitarbeitslose durch Beschäftigung in den
Gemeinden wieder in den Arbeitsmarkt finden. In Modellregionen, die es
in jedem Bundesland gibt, soll die Umsetzbarkeit nun getestet werden.
Als "langzeitarbeitslos" gilt man dann, wenn
man in den letzten zwölf Monaten kein Arbeitsverhältnis hatte. So lautet
die Definition des Arbeitsmarktservice (AMS). Kurzzeitige
Dienstverhältnisse, die nicht länger als 62 Tage gedauert haben,
verändern diesen Status nicht. 125.000 Menschen gelten aktuell als
langzeitarbeitslos, darunter rund 50.000 Menschen, die älter als 50
Jahre sind. Insgesamt sind im April 2017 rund 430.000 Menschen ohne Job
gewesen.
Nun will die Bundesregierung mit einem staatlichen
Beschäftigungsprogramm vor allem den älteren Langzeitarbeitslosen beim
Wiedereinstieg helfen und stellt dafür 200 Mio. Euro an zusätzlichen
Budgetmitteln bereit. Die Laufzeit des Programms liegt vorerst bei zwei
Jahren und sieht die Gemeinden als wesentliche Beteiligte. In den
Kommunen sollen die Langzeitarbeitslosen nämlich beschäftigt werden.
Anstellung über Trägervereine
Die Anstellung soll über Trägervereine erfolgen, an
direkte Dienstverhältnisse in den Gemeinden ist nicht gedacht. "Das ist
für uns ein sehr wichtiger Punkt", sagt Gemeindebund-Präsident Alfred
Riedl. "Wir können die Menschen vorerst nicht direkt in unseren
Personalstand aufnehmen. Wir haben ja ein Gemeindedienstrecht, eine
mittelfristige Personalplanung und auch Dienstpostenpläne, die nicht von
einem Monat aufs andere veränderbar sind."
Riedl: "Aktion grundsätzlich positiv"
Grundsätzlich sieht Riedl die Regierungsinitiative
nicht unbedingt negativ: "Es wäre kaum verständlich, wenn wir
Arbeitskräfte, die uns der Bund de facto kostenlos zur Verfügung stellt,
nicht einsetzen würden", so Riedl. "Es gibt aber noch sehr wichtige
Rahmenbedingungen, über die wir reden müssen. Dazu zählt, das wir keine
Beschäftigungsgarantie abgeben können, wenn die Finanzierungszusagen des
Bundes enden." Ähnlich sieht das Hans Hingsamer, Chef des
OÖ-Gemeindebundes: "Wir müssen Sicherheit haben, dass durch die
Beschäftigung keine Verpflichtungen auf Dauer eingegangen werden.
Österreichweit beschäftigten die Gemeinden derzeit 73.000
Mitarbeiter/innen, von der Verwaltung bis zu den Kindergärten oder dem
Außendienst. Wir können dauerhaft nicht 20.000 zusätzliche Beschäftigte
aufnehmen. Mehrkosten in dieser Größenordnung verkraften die Gemeinden
nicht."
In welchen Bereichen die zusätzlichen Arbeitskräfte
eingesetzt werden sollen, ist zumindest im Umriss schon definiert. So
dürfen etwa keine bestehenden Arbeitsverhältnisse ersetzt werden, auch
direkte Nachbesetzungen von Stellen, die durch Kündigung oder
Pensionsantritte frei werden, dürfen nicht mit Arbeitskräften aus der
"Aktion 20.000" ersetzt werden. Es gehe um zusätzliche Beschäftigung,
sagt der Sozialminister. "Wir haben sicherlich keinen Mangel an Aufgaben
oder Einsatzbereichen für zusätzliche Kräfte", sagt Riedl. "Das wird im
einen oder anderen Bereich die Qualität der Leistungen erhöhen, etwa
wenn Wanderwege häufiger gepflegt werden können. Aber auch im Bereich
der Betreuung in Kindergärten und Schulen ermöglicht zusätzliches
Personal eine größere Vielfalt an Aktivitäten. In der schulischen
Nachmittagsbetreuung ist es ein Unterschied ob ein oder zwei
Mitarbeiter/innen pro Gruppe anwesend sind." Klargelegt ist freilich
auch, dass die Bewerberinnen die für die jeweilige Tätigkeit notwendige
Qualifikation aufweisen müssen.
Befristung wird kritisch gesehen
Ernst Schöpf, Bürgermeister von Sölden und Chef der
Tiroler Gemeinden, sieht das Programm auch positiv: "Das wird in Tirol
rund 800 Menschen betreffen. Für öffentliche und gemeinnützige
Tätigkeiten, wie zB. im Sozialbereich, in der Ortsbild- oder
Landschaftspflege oder im Umweltschutz gibt es sicherlich genug
Einsatzmöglichkeiten", sagt Schöpf. "Problematisch ist, dass die Aktion
bzw. Finanzierung auf zwei Jahre befristet ist. Wir werden die Menschen
sicherlich nicht alle dauerhaft in den Gemeindedienst übernehmen
können."
AMS koordiniert Bedarf, den die Gemeinden melden
Doch wie soll das nun konkret ablaufen? Dreh- und
Angelpunkte der Initiative sind die regionalen AMS-Stellen. Sie sollen
den Bedarf und das Angebot koordinieren. Vorerst wird es ab 1. Juli
Modellversuche, u.a. im Bezirk Baden (NÖ) geben. Im Kontakt mit dem AMS
sollen die Gemeinden mögliche Tätigkeitsfelder angeben und Personal
anfordern können. Die in Frage kommenden Arbeitskräfte werden dann bei
regionalen Trägervereinen dienstrechtlich angestellt und den Gemeinden
oder Gemeindeverbänden auf Anforderung überlassen.
Bürgermeister-Konferenzen in Modellregionen angekündigt
Auch in der Modellregion Weststeiermark, die die
Bezirke Deutschlandsberg und Voitsberg umfasst, soll in den kommenden
Wochen im Rahmen eine Bürgermeister-Konferenz stattfinden, in der die
operative Umsetzung der Aktion besprochen wird, berichtet der steirische
Gemeindebund-Chef Erwin Dirnberger. "Ich habe in meiner Gemeinde mit
einer ähnlichen Aktion gute Erfahrungen gemacht", berichtet Dirnberger.
"Es ist sicher möglich, dass es in manchen Fällen auch zu einer
dauerhaften Beschäftigung kommt, Verpflichtung dazu kann es für die
Gemeinden aber natürlich keine geben."
Der wichtigste Effekt der Initiative soll sein, die
betroffenen Menschen wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen und sie an
eine Vollzeitbeschäftigung zu gewöhnen. Oft leiden Motivation und
Bewerbungsintensität darunter, wenn Menschen längere Zeit keinen Job
finden können. "Wir haben hier als Gesellschaft schon auch eine soziale
Aufgabe, dass wir fördern und auch fordern", sagt Riedl. "Wenn so ein
Programm dazu beiträgt, dann soll es mir recht sein."
Abgrenzung zu anderen gemeinnützigen Tätigkeiten einfach
Wichtig
ist in diesem Zusammenhang mit Sicherheit auch eine klare Abgrenzung
zur klassischen gemeinnützigen bzw. ehrenamtlichen Tätigkeit. "Dort, wo
es beispielsweise um Asylwerber geht, ist diese Abgrenzung einfach",
glaubt Riedl. "Asylwerber dürfen wir ja nur für wenige Stunden pro Monat
für leichte Tätigkeiten einsetzen. Bei der Aktion 20.000 sprechen wir
über vollwertige Ganztagsjobs im kommunalen Bereich." Mit den
Tätigkeiten anerkannter Asylberechtigter im Rahmen des
Integrationsjahres sieht Riedl ebenfalls eine klare Abgrenzung: "Deren
Arbeit dient in hohem Ausmaß ja auch der Integration, das heißt, sie
muss neben Deutschkursen und anderen Integrationsmaßnahmen möglich
sein."
Auf die Struktur der ehrenamtlichen Arbeit in den
Gemeinden soll die Aktion keine negativen Auswirkungen haben. Das ist
Günther Mitterer, dem Ortschef von St. Johann/Pongau und Salzburger
Gemeindeverbandschef, sehr wichtig. Er sieht die Sache generell
kritischer: "Es ist noch zu viel unklar. Wir müssen auch mittel- und
langfristige Folgen solcher Aktionen mit bedenken, der Bund stellt uns
hier wieder vor eine große Aufgabe, die noch nicht zu Ende gedacht ist."
Im klassischen ehrenamtlich getragenen Einrichtungen, wie etwa
Feuerwehr, Rettung, Vereinswesen, usw. können die Langzeitarbeitslosen
durchaus auch eingesetzt werden: "Sie können dort die Freiwilligen
temporär entlasten, bei administrativen Aufgaben etwa oder bei kleineren
Projekten, zu denen man sonst nicht kommt", sagt Riedl. "Die
ehrenamtliche Struktur selbst darf dabei aber nie in Frage stehen."
Nach Evaluierung der Modellversuche soll die "Aktion 20.000" ab 1. Jänner 2018 bundesweit eingeführt werden.
In folgenden Regionen sind Modellregionen geplant:
- Burgenland: Oberwart
- Kärnten: Villach, Villach Land, Hermagor
- Niederösterreich: Baden
- Oberösterreich: Linz, Urfahr-Umgebung
- Salzburg: Pongau
- Steiermark: Deutschlandsberg, Voitsberg
- Tirol: Innsbruck Stadt, Innsbruck Land
- Vorarlberg: Bregenz
- Wien (bezirksübergreifend)