Allhartsberg: "Ohne Bauhof geht's auch"

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Die niederösterreichische Gemeinde Allhartsberg ist in vielerlei Hinsicht herausragend: Es gibt keinen Bauhofmitarbeiter - trotzdem werden anfallende Arbeiten erledigt. Zudem konnte die 2.000-Einwohner-Gemeinde in den letzten 20 Jahren 500 Zuzüge verzeichnen. Wie? Mit viel Engagement und Einsatz der Bürger.

Die Gemeinde Allhartsberg liegt im Südosten Niederösterreichs zwischen dem Donautal und dem Alpenvorland. Mehr als 2.000 Einwohner zählt die Gemeinde heute. Vor 20 Jahren sah das Bild noch gänzlich anders aus. Es gab weniger Einwohner und viel Aufholbedarf im Bereich der Infrastruktur und der Ortsbildgestaltung. Erst durch viel Engagement der Bürger konnte sich Allhartsberg zu der Vorzeigegemeinde entwickeln, die sie heute ist.

Allhartsberg vor 20 Jahren

Damals begann die Gemeinde damit, Land zu kaufen und in Bauland umzuwidmen - mit viel Erfolg. "1996 haben wir 3,5 Hektar Bauland gekauft, heute sind es sieben bis acht Hektar bebaubares Land. Für uns war klar, dass der Energieffizienz von Häusern wachsende Bedeutung eingeräumt wird. Darum haben wir darauf geachtet, dass sich die Grundstücke in südlicher Hanglage befinden. Zudem haben wir das Bauland schonend vergeben. Für die Erschließung haben wir einen Masterplan erstellt, damit die Kanal- und Wasserrohre möglichst sinnvoll platziert werden. Dasselbe gilt auch für die Gehsteige. Sie mussten so geplant werden, damit die Wege ins Zentrum, möglichst kurz bleiben. Bei 300 Metern lässt sich der Einkauf noch leicht zu Fuß erledigen, bei 500 Metern überlegt man es sich schon und alles, was drüber ist, wird in der Regel schon mit dem Auto gefahren."

Von "ergrauender Gemeinde" keine Spur

Seit damals ist in der Gemeinde viel passiert: Mit der aktiven Siedlungsentwicklung und einer Ansiedelungsstrategie zogen 500 Menschen seit 1992 zu, wodurch Allhartsberg heute eine sehr junge Gemeinde ist. 19 Prozent der Bürger/innen sind unter 18 Jahren alt, 68 Prozent sind im Alter zwischen 19 und 64 Jahren und nur 13 Prozent sind 65 Jahre oder älter. Obwohl der Anteil der älteren Bevölkerung recht gering ist, wird auch auf jene nicht vergessen, die Hilfe brauchen. "Das Essen auf Rädern wird bei uns teilweise durch Freiwillige verteilt, die Gemeinde stellt kostenlose Pflegebetten zur Verfügung und es wurden auch barrierefreie Wohnungen geschaffen. In der Gemeinde legen wir sowieso viel Wert darauf, dass sich alle Bürger verstehen. Schon in der Schule lernen die Jüngsten im Fach "Leben lernen" den wertschätzenden Umgang miteinander", so Kasser stolz.

Vereinshaus nur durch freiwillige Hände erbaut

Der Grundstein für das hohe freiwillige Engagement wurde bereits kurz nach der Leitbilderstellung gelegt. Als das Ortsbild umgestaltet wurde, stellte Bürgermeister Kasser ein Stück Land, das eigentlich ein Grünstreifen hätte werden sollen, den Vereinen zur Verfügung. "Die Gemeinde war Bauherr. Das heißt wir haben damals die Materialien gestellt, dafür haben sich die Vereine das Haus selbst gebaut. Für den Erfolg war zentral, dass es eine Baustelle für alle war. Das heißt, dass nicht die Musiker glaubten, sie müssen nur für ihren Teil des Gebäudes etwas tun, sondern alle waren für alles tätig. So ist in insgesamt 20.000 freiwilligen Arbeitsstunden ein Haus für sieben Vereine und Institutionen entstanden. Ich glaube, es hat damals keinen Haushalt in der Gemeinde gegeben, in dem nicht wenigstens einer auf der Baustelle mitgearbeitet hat", erinnert sich Kasser schmunzelnd. Das Haus gehört der Gemeinde, die Vereine zahlen praktisch nur die Betriebskosten.

Allhartsberg gegen den Trend?

Durch die umfassende Strategie konnte auch ein Friseur, ein Lebensmittelgeschäft, ein Kaffeehaus, ein Gemeinde- und ein Kinderarzt in der Gemeinde angesiedelt werden. "Als wir das Leitbild erstellt haben, hat sich das als mutige Forderung angehört, bis 2005 haben wir das aber alles umgesetzt." Aufgrund des Zuzugs und der Kinder konnte die Volksschule von sechs auf acht Klassen und der Kindergarten von zwei auf fünf Gruppen erweitert werden. Wir haben nun in einem anderen Ortsteil einen zweiten Kindergarten gebaut, in dem zwei der fünf Gruppen untergebracht sind.

Umwelt kommt bei Wachstum nicht zu kurz

Diese für damalige Zeiten visionären Pläne stießen nicht immer auf Wohlwollen: "Ich erinnere mich noch gut: Als wir damals das Bauland gewidmet und die Bauordnung gelockert haben, kam viel Kritik von allen Seiten. Die Dächer wurden aufgrund der energieeffizienten Bauweise flacher und die Häuser hatten ungewöhnlichere Formen. Heute stehen dort lauter Niedrigenergie- und Passivhäuser, für die wir viel Lob bekommen. Aber auch die anderen Häuser sollten zentral mit Energie versorgt werden. Mit einer bäuerlichen Genossenschaft wurde ein Biomassewerk errichtet. Was mit einer Beteiligung von 29 Haushalten begonnen hat, hat sich heute zu einer Beteiligung von 150 Haushalten entwickelt." In der Gemeinde gibt es zudem einige Photovoltaikanlagen auf den öffentlichen Gebäuden.

Eigenverantwortlichkeit als Schlüssel zum Erfolg

Kanalwartung, Schneeräumung - was die Gemeindebürger nicht selbst erledigen können, wird möglichst kostenschonend vergeben: "Beim Kanal sind wir zum Beispiel beim Abwasserverband Amstetten dabei und für die Schneeräumung arbeiten einige Bauern mit ihren Traktoren. Wieso sollte ich einen eigenen Traktor kaufen, wenn es in Allhartsberg viele Bauern gibt, die das machen können?"

Dass der Bürgermeister bei all diesen Aktionen immer mitten drin ist, erklärt sich von selbst. "Der Schlüssel ist die Eigenverantwortlichkeit der Bürger. Die Bürger wollen gar nicht so verwöhnt werden. Sie wollen mehr selbst machen als man glaubt. Und was nicht von selbst durch die Bürger erledigt wird, wird auf viele Köpfe verteilt." Diese Auffassung wird in Allhartsberg täglich gelebt. Die Menschen fühlen sich auch für die öffentlichen Räume verantwortlich: "Die öffentlichen Mistkübel vorm Haus werden beispielsweise großteils durch die Anrainer selbst entleert, oder die Blumenrabatte werden von den Bürgern selbst von Unkraut befreit. Auch die Schneeräumung der Bushütten wird von den Anrainern ohne Aufforderung erledigt", so Kasser über das Erfolgsrezept, "wir hatten bisher keinen Bauhof und werden ihn auch in Zukunft nicht brauchen."

Da sich die Gemeinde in den letzten 15 bis 20 Jahren so positiv entwickelt hat, erhielt Allhartsberg als Anerkennung 2012 den Dorferneuerungspreis für eine ganzheitliche, nachhaltige und mottogerechte Dorfentwicklung.

Was ist die Dorferneuerung?

Die Dorfentwicklung ist in weiten Teilen Europas ein Synonym für Ortsentwicklung, Ortserneuerung, Gemeindeentwicklung, fallweise auch für Lokale-Agenda-21-Prozesse und für Regionalentwicklung geworden. So unterschiedlich die Bezeichnungen, so unterschiedlich gestalten sich auch die Organisationsformen. Einmal ist es ein Verein, der als Träger fungiert, anderorts die Gemeindeverwaltung oder auch ein interkommunaler Entwicklungsverband.

Die Dorferneuerung als Begriff hat ihren Ursprung in Deutschland Anfang der 60er. In Niederösterreich wurde die Dorferneuerung 1984 als erstes österreichisches Bundesland gegründet. Die Steiermark war mit Niederösterreich und Bayern maßgeblich an der Gründung der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung im Jahr 1989 beteiligt. Seit damals gibt es auch den Europäischen Dorferneuerungspreis, der Vorzeigeprojekte aus ganz Europa vor den Vorhang holt. Der Schwerpunkt dieses Projekts liegt darin, die Gleichwertigkeit zwischen städtischen und ländlichen Raum zu fördern und die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des ländlichen Raums hervorzuheben.

22.07.2012