Die bisherige Regierung wurde
per Misstrauensantrag aus dem Amt gehievt. Nun führt eine Expertenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein die Geschäfte bis zur Neuwahl und einer neuen Regierung. Damit drohen aber einige
Themen auf die lange Bank geschoben zu werden. Gerade beim Thema Ausbau
der schulischen Tagesbetreuung sollte der Nationalrat aber noch tätig
werden, sonst droht eine Finanzierungslücke.
Die Entscheidung für Neuwahlen und der
Misstrauensantrag gegenüber der Übergangsregierung unter Bundeskanzler
Sebastian Kurz hat direkte Auswirkungen auf wichtige Gemeindeprojekte.
Allen voran ist hier das Bildungsinvestitionsgesetz zu nennen. Dieses
sollte noch vor den Wahlen beschlossen werden, sonst gibt es ab Herbst
keine Gelder mehr für den Ausbau und bereits angebotene ganztägige
Betreuung. Bei anderen Projekten wie dem Abbiegeverbot für LKWs kann man
nur hoffen, dass sie nicht mehr vor den Neuwahlen beschlossen werden.
Generell warnte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl vor Wahlzuckerln,
die in den letzten Wochen vor der Nationalratswahl noch beschlossen
werden könnten.
Bildungsinvestitionsgesetz: Nun ist der Nationalrat am Zug
Die vorgesehene Novelle des
Bildungsinvestitionsgesetzes, die bereits in Begutachtung war, sollte
unbedingt noch einer Beschlussfassung im Parlament unterzogen werden.
Diese sieht für Gemeinden eine Überbrückungsfinanzierung für bestehende
ganztägige Schulangebote bis einschließlich 2022 vor. Wird diese Novelle
nicht umgesetzt, erhalten Gemeinden ab dem kommenden Schuljahr für
bestehende Angebote keine Personalkostenzuschüsse mehr.
Betreuungsbeiträge müssten drastisch erhöht werden, das Angebot
zurückgefahren werden oder der Fehlbetrag von Gemeinden finanziert
werden – was aber in Anbetracht der budgetären Lage unmöglich ist.
Umstrittenes LKW-Abbiegeverbot sollte nicht beschlossen werden
Aus Sicht der Gemeinden sollte die 32. StVO Novelle,
deren Begutachtungsverfahren bereits beendet ist, nicht in dieser Form
einer Beschlussfassung unterzogen werden. Gemäß diesem Gesetzesvorschlag
sollten die Gemeinden die Möglichkeit erhalten, Rechtsabbiegeverbote
für LKW ohne Rechtsabbiegeassistenten per Verordnung für ein gesamtes
Ortsgebiet oder aber Teile davon zu erlassen.
Da Gemeinden aber nur für Gemeindestraßen derartige
Verordnungen erlassen können und daher Landesstraßen im Ortsgebiet nicht
umfasst wären, sind derartige Verordnung allein aus diesem Grund nicht
praktikabel. Hinzukommt, dass der Gesetzesvorschlag auch vorsieht, dass
im Falle der Erlassung einer derartigen Verordnung auch Ausnahmen vom
Rechtsabbiegeverbot vorzusehen sind, sofern dadurch der Zweck der
Verordnung nicht gefährdet wird. Gemeinden wären daher angehalten, jede
Kreuzung auf ihre Tauglichkeit im Zusammenhang mit einem
Rechtsabbiegeverbot zu prüfen. Nachdem auch die Kundmachung derartiger
Verordnungen einschließlich der Ausnahmen problematisch ist, sollte von
diesem Vorhaben Abstand gehalten werden bzw. die
Bezirksverwaltungsbehörde für diese Regelungsmöglichkeit zuständig
gemacht werden.
Stillstand bei der Grundsteuer, Pflegereform und Co.?
Zuletzt konnte sich der Gemeindebund mit dem
Finanzministerium auf eine Fortführung der Arbeiten der im Paktum zum
FAG im Herbst 2016 vereinbarten Grundsteuer-Arbeitsgruppe verständigen,
um eine möglichst einfaches und automatisiertes Bewertungs- und
Grundsteuersystem zu entwickeln.
Ob, wann und wie die Gespräche nun fortgeführt
werden, ist aber nicht nur bei der Grundsteuer, sondern auch bei anderen
Reformthemen wie der Umsetzung des sogenannten Masterplans Pflege
offen, der eigentlich bis Jahresende ein Maßnahmenpaket für die
nachhaltige Sicherung der Finanzierung sowie des Pflegepersonals mit
sich bringen sollte.
Steuerreform in der Schwebe
Die Eckpunkte der für die Jahre 2020 bis 2023
geplanten schrittweisen Steuerreform waren bereits bekannt, so etwa die
Reduktion der Sozialversicherungs-Beiträge um 700 bis 800 Mio. Euro
(finanziert durch den Bund) sowie die schrittweisen Senkungen der
Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer-Tarife in den Jahren 2021 bis
2023. Diese Reform wäre naturgemäß nicht nur für die Steuerzahler
(Private und Unternehmen), sondern auch für alle am Finanzausgleich
beteiligten Gebietskörperschaften (die Gemeindeebene mit rund 12
Prozent) von großer Relevanz. Unter Berücksichtigung von
Gegenfinanzierungseffekten (z.B. einer erhöhten Umsatzsteuer aufgrund
des Konsumeffekts durch eine Entlastung kleiner Einkommen) würden diese
schrittweisen Steuerreformen ab dem Jahr 2023 Mindereinnahmen aus
Ertragsanteilen in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro mit sich
bringen.
Bisher liegen zu dieser Steuerreform jedoch noch
keine Gesetzesbeschlüsse vor, lediglich die Ministerialentwürfe zum
sogenannten Digitalsteuerpaket und einiger Maßnahmen im Bereich der
Steuervereinfachung und Ökologisierung sowie der Betrugsbekämpfung
wurden bisher eingebracht bzw. durchliefen das Begutachtungsverfahren.
1,50-Verordnung wieder zurückgenommen
In einer Sache bleibt es trotz hitziger Diskussionen
beim Alten: Die "Verordnung zur des Bundesministers für Inneres über
die Heranziehung von Asylwerbern und bestimmten sonstigen Fremden für
gemeinnützige Hilfstätigkeiten und die Höhe des hierfür zu leistenden
Anerkennungsbeitrags" wurde vom Übergangsinnenminister Dr. Eckart Ratz
wieder zurückgenommen. Daher bleibt es durch den Wegfall dieser
Obergrenze weiterhin den Gemeinden selbst überlassen, wie hoch sie den
Anerkennungsbeitrag pro Stunde für Asylwerber für geleistete
gemeinnützige Arbeit ansetzen.
Keine Wahlzuckerl
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl forderte am 23.
Mai 2019 bei der Eröffnung des Städtetages, dass es in der Vorwahlzeit
keine Wahlzuckerl geben dürfe: "Ich erinnere nur an einen Beschluss vor
zwei Jahren, der uns bis heute beschäftigt: Die Abschaffung des
Pflegeregresses im Juni 2017 ohne Kostenersatz für Länder und Gemeinden.
So etwas darf sich nicht wiederholen. Die Abgeordneten aller Parteien
haben gerade im freien Spiel der Kräfte die besonders große
Verantwortung, bei Gesetzen auch über den Wahltag hinaus zu denken."
Rücknahme bereits erfolgter Reformen?
Ganz generell stellt sich auch die Frage, ob bereits
erfolgte Reformen der türkis-blauen Koalition zurückgenommen werden. So
etwa das Aufgehen der bisherigen GPLA (Gemeinsame Prüfung der
lohnabhängigen Abgaben durch BMF und SV) in einen gemäß dem Gesetz über
die Zusammenführung der Prüforganisation der Finanzverwaltung und der
Sozialversicherung ab 2020 gemeinsam vorgesehenen Prüfdienst der
Finanzverwaltung. Dieses bereits teilweise in Kraft getretene Gesetz
würde ab 2020 für die Gemeinden in § 11 PLABG ein "Anforderungsrecht"
für Kommunalsteuerprüfungen mit sich bringen.