Erste hohe Rechnungen flattern in die Gemeindestuben

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Der Ärger in den betroffenen Gemeinden ist groß: Für die Sicherung der Eisenbahnkreuzungen sollen die Kommunen kräftig zahlen. Rechnungen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro sind fast schon normal.

Die Eisenbahnkreuzungsverordnung lässt derzeit nicht nur den Blutdruck vieler steirischer Bürgermeister ansteigen. Im Juni 2012 hat Infrastrukturministerin Doris Bures die Eisenbahnkreuzungsverordnung trotz heftiger Einsprüche der Gemeindevertreter erlassen. Unzählige technisch nicht gesicherte Bahnübergänge sollen damit in Zukunft "sicherer" gemacht, sprich mittels Lichtzeichen- oder Schrankenanlagen technisch aufgerüstet werden.

Nicht nur die mangelhafte Schätzung der Gesamtinvestionskosten durch das Ministerium (damals erwartete man Gesamtkosten von 250 Millionen Euro), sondern auch die Abwälzung dieser auf die Bahnbetreiber und die Straßenerhalter, wurde bereits damals stark vom Gemeindebund kritisiert. Dabei muss der Straßenerhalter, vielfach eben die Gemeinde, mindestens 50 Prozent der Investitionen mittragen. Auch die laufenden Kosten für die Instandhaltung wurden damals im Vorhinein nicht beziffert. Zu 90 Prozent befinden sich diese auf Gemeindestraßen. Die ersten Auswirkungen dieses "Schnellschusses" werden nun sichtbar.

Wer anschafft muss auch zahlen?

Als eine der ersten Bahngesellschaften ist die Graz-Köflach-Bahn (GKB) nun mit hohen Rechnungen an die Gemeinden herangetreten. Bis 2017 müssen manche Gemeinden für die Sicherung ihrer Eisenbahnkreuzungen bis zu 1,2 Millionen Euro hinblättern. Mehrere hunderttausend Euro gehören zur "normalen" Höhe der Rechnungen.

Lieboch: Der Schrecken kam erst mit der zweiten Rechnung

Die 4.700 Einwohner zählende steirische Gemeinde Lieboch liegt an dieser Bahnstrecke. Bereits für die Jahre 2009 bis 2011 erhielt die Gemeinde Rechnungen in Höhe von mehr als 23.000 Euro für die Sicherung zweier Eisenbahnkreuzungen. "Darin enthalten ist eigentlich nur der Gesamtbetrag. Als Mitzahler hätte ich aber schon gerne eine Übersicht, wofür das Geld genau ausgegeben wurde", so Liebochs Bürgermeister Rudolf Aichbauer.

Der nächste Ärger sollte jedoch nicht lange auf sich warten lassen, denn der Kostenausblick für die kommenden Jahre, die die Gemeinde kurze Zeit später erhalten hat, sieht vor, dass Lieboch bis 2015 mehr als 1,2 Millionen Euro zur Sicherung der fünf Eisenbahnkreuzungen beitragen soll. Eine Summe, die Aichbauer nicht kampflos hinnehmen will: "Durch diese Mehrkosten werden die Gemeinden über Gebühr finanziell gefordert und es stellt sich hier die Frage, wie eine Gemeinde diese aufbringen kann. Diese und auch viele andere Mehrkosten durch Land und Bund, da möchte ich nur die Verdoppelung der Kosten bei der Sozialhilfeumlage innerhalb weniger Jahre als Beispiel erwähnen, belasten die Gemeinden immer mehr. Der gefallene Vorsteuerabzug bedeutet für uns beim Volksschulumbau 700.000 Euro mehr. Diese Fakten machen es unmöglich, die Überschuldung der Gemeinden in unserem Lande aufzuhalten."

Aus seiner Sicht solle der Bund die Sicherung der Eisenbahnkreuzungen selbst zahlen. "Wir Gemeinden wären gut überlebensfähig, wenn Land und Bund ihre Verantwortung nicht auf die Gemeinden abwälzen würden, nur um das Budget von Land und Bund besser darstellen zu können."

Gemeinden prüfen rechtliche Möglichkeiten

Auch Söding hat eine Kostenvorschau erhalten, die die 2.000-Einwohner-Gemeinde bis 2017 um 615.000 Euro ärmer machen soll. In St. Johann-Köppling, wo der steirische Gemeindebund-Präsident LAbg. Erwin Dirnberger Ortschef ist, ist man bis 2017 mit Forderungen in Höhe von 1,1 Millionen Euro konfrontiert, von denen die Gemeinde 50 Prozent beitragen soll. "Einerseits erhalten die Gemeinden nun von der GKB Kostenvorschreibungen für die vergangenen drei Jahre, sowie auch die Ausbaupläne bis 2017. Durch Geschwindigkeitserhöhungen werden höhere Sicherheitsstandards bei den Bahnkreuzungen erforderlich. Kommunen, die sich weigern, diese Beträge zu überweisen, haben teilweise bereits Mahnungen und Klagsandrohungen erhalten. Es kann nicht sein, dass diese Kosten vom Bund nach unten delegiert werden. Gemeinden haben kein Mitspracherecht bei der Auftragsvergabe und können die Kosten nicht nachvollziehen." Für jene steirische Kommunen, die dies nicht so einfach hinnehmen wollen, ist der Gemeindebund bereits mit der Rechtsanwaltskanzlei Eisenberger in Gesprächen. Wo es vertretbar ist, sind viele Gemeinden mittlerweile auch soweit, Bahnübergänge zu schließen. "Das ist natürlich für alle Beteiligten die kostengünstigste Lösung", so Dirnberger.

"Akustisches Signal zwang uns zum Handeln"

Aber nicht nur in der Steiermark werden die ersten Auswirkungen dieser Verordnung sichtbar, auch im niederösterreichischen St. Valentin bei einem Fußgänger- und Radfahrer-Bahnübergang oder im kärntnerischen Finkenstein. Hier trat die Gemeinde an die ÖBB heran. "Bei uns im Gemeindegebiet gibt es eine Eisenbahnkreuzung mit geringer Sichtweite. Drei Mal bevor ein Zug die Kreuzung quert, gibt es ein akustisches Signal, das weithin hörbar ist. Für die dort lebenden Bürger ist das natürlich eine dauernde Störung. Wir waren zum Handeln gezwungen", so Finkensteins Bürgermeister Walter Harnisch über die Ausgangslage. Die Gemeinde bemühte sich von sich aus um eine Sicherung mit Schranken, damit das laute Signal des Zugs nicht mehr nötig ist.

Drei statt eins

Als Resultat der Gespräche mit den ÖBB steht nun eine Summe von 1,7 Millionen Euro für insgesamt drei Eisenbahnkreuzungen im Raum. Für Harnisch ist eine Auflassung der Kreuzungen unmöglich: "Bei einer müssten wir eine teure Ersatzstraße bauen, da in der Nähe der Kreuzung Liegenschaften sind. Wir haben auch versucht, zu erreichen, dass erstmal nur die wichtigste Kreuzung umgebaut wird, um die Lärmbelästigung zu mindern, aber eine Aufteilung der Umbauarbeiten hätte noch höhere Kosten verursacht."

Bis vermutlich 2015/16 muss die 8.600-Einwohner-Gemeinde nun diese hohen Summen aufbringen. Vom Land ist man nur bereit einen Überbrückungskredit zu geben, die hohe Verschuldung der Gemeinde bleibt aber trotzdem. "Aufgrund der Landesschulden erhalten wir nun 80.000 Euro weniger, die Straßen sollten saniert werden, wenn nun auch noch die Ertragsanteile einbrechen, wird das Finanzielle immer schwieriger", so Harnisch.

Wer anschafft muss in diesem Fall also nicht zahlen. Die Auswirkungen dieser Verordnung werden erst schrittweise sichtbar. In Österreich gibt es derzeit rund 5.500 Bahnübergänge im Streckennetz der ÖBB. Rund 4.000 Übergänge verfügen über keine Schrankenanlagen.

Fotocredit: ©Lieboch

24.07.2013