Finanzausgleich: Forderungen der NÖ Kommunen & Städte im Detail

Forderungen

Die Energiewende, der öffentliche Verkehr, die voll umfängliche Kinderbetreuung und Pflege Älterer oder auch die Landarzt- und Spitalsversorgung, die Inklusion und die digitale Transformation:Das alles kostet immer mehr Geld und verantwortlich dafür sind zu einem großen Teil die Städte und Gemeinden. Mit einem gemeinsamen Appell aus Niederösterreich an den Bund erhöhen nun die Vertreter der Kommunen aus dem Bundesland den Druck vor den finalen Finanzausgleichsverhandlungen. Denn die Finanzschlüssel, die da zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vereinbart werden, gelten dann bis 2028. Fünf zentrale Forderungen stellen Präsident Johannes Pressl, NÖ Städtebund-Vorsitzender Matthias Stadler und NÖ GVV-Präsident Rupert Dworak auf:

1) Statt bisher 12% will man in Zukunft generell 14,5% des gemeinsamen Steuerkuchens

Die Kommunen begründen die Forderung nach einer Erhöhung ihres Anteils an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben mit immer mehr Aufgaben und vor allem auch mit der gesellschaftlichen Transformation, die auf breiter Ebene von ihnen getragen wird und durch die Gemeinden finanziell kaum noch zu stemmen sind

  • Die energetische Transformation:
    • Die öffentlichen Gebäude müssen in den kommenden Jahren saniert und auf neue Heizsysteme umgestellt werden
    • Der Fuhrpark muss dekarbonisiert und elektrifiziert werden
    • Die Infrastruktur muss errichtet werden -von Ladesäulen bis zu PV-Anlagen
  • Die digitale Transformation:
    • Glasfasernetze und schnelle Übertragungswege sind auch im ländlichen Raum als essenzielle Standortfaktoren erforderlich
  • Die soziale Transformation:
    • Inklusion in Kindergarten und Schule kostet die Gemeinden immer mehr Geld und ist noch dringender. Allein in NÖ werden bereits um 17 Millionen Euro Stützkräfte in den Pflichtschulen finanziert. Tendenz stark steigend! Ein eigener österreichweiter Inklusionsfonds wird vorgeschlagen (siehe dazu noch unter Punkt VI) - Sonstiges)
    • Die niederschwellige Pflege und Betreuung wird aufgrund nachlassender Familienstrukturen immer fordernder. Die Gemeinden sind mit Tagesbetreuung, Community Nursing und anderen Projekten noch mehr gefordert.
  • Gesellschaftliche Transformation
    • Die Geschwindigkeit der Entwicklung, die Digitalisierung und die „Komplexität“ des Alltags lassen auch viele Menschen zurück, die da nicht Schritt halten können. 
    • Die Gemeinde- und Bürgerämter sind oft die letzte Ansprechstelle in Alltagsfragen. Das ist auch immer mehr Aufwand, der über das „Normalmaß“ hinausgeht.

2) In den drei Säulen Kinderbetreuung, Altenpflege und Gesundheit braucht es frisches Geld – insbesondere für den laufenden Betrieb.

A) KINDERBETREUUNG

  1. Gratis-Kinderbetreuung wird von Wirtschaft, Eltern und anderen Interessensgruppen gefordert. In NÖ ist sie mit dem NÖ Kinderbetreuungspaket in 5 Jahren nahezu umgesetzt. Die Lasten können die Gemeinden allein nicht tragen. Deswegen brauchts  mit Beginn der FAG-Periode (2024-2028) eine Verdoppelung der Zweckzuschüsse des Bundes von dzt. 200 Mio. auf dann 400 Mio/Jahr und mittelfristig eine Steigerung auf eine jährliche Kinderbetreuungsmilliarde.
  2. Vor allem der laufende Betrieb muss mitfinanziert werden und nicht nur eine Anschubfinanzierung beim Bau!
  3. Wahlfreiheit bei Kinderbetreuung muss gegeben sein – kein Rechtsanspruch
  4. Qualitätsstandards und Ausbaugrade müssen an die örtlichen Gegebenheiten und Bedarfe anpassbar sein.

B) ALTENPFLEGE

  1. Der bestehende Pflegefonds soll verlängert und aufgestockt werden
  2. Die jährliche Valorisierung hat sich an der Ausgabendynamik des Pflegebereichs zu orientieren.
  3. Der Ko-Finanzierungsanteil der Gemeinden soll wie bisher im Ausmaß des vertikalen Schlüssels ( des einheitlichen Abgabenschlüssels) erfolgen.
  4. Neue Leistungen wie Community Nursing, Entgeltfortzahlung oder Ausbildungszuschuss sollen fix und „additiv“ in den Pflegefonds aufgenommen werden. 
  5. Die Pflegekräfteausbildung soll weiterentwickelt und wieder vereinfacht werden. Es braucht vor allem Menschen, die einfach nur für die anderen Menschen da sind und nicht vorrangig Uni-Absolventinnen und Absolventen.

C) GESUNDHEITSVERSORGUNG GEWÄHRLEISTEN

Grundsätzlich ist das ein Thema, das vor allem zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen verhandelt wird. Den Kommunen ist insbesondere wichtig:

  • Sicherung einer flächendeckenden und wohnortnahen ärztlichen Versorgung
    • Bereitstellung der nötigen Kassenstellen für Hausärzte und gewisse Fachrichtungen.
    • Verbesserungen des niedergelassenen Leistungsangebots zu Tagesrandzeiten und am Wochenende etwas durch Primärversorgungszentren und -netzwerke.

3) Aufstockung des Strukturfonds

Der Strukturfonds soll von derzeit 60 Millionen auf dann 150 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden. 

  • Damit sollen vor allem Randlagen unterstützt werden, wo Abwanderung und eine starke Überalterung die Eigenwirtschaftskraft derart schwächen, dass wichtige Infrastrukturen nicht mehr finanzierbar sind.

4) Öffentlicher Verkehr

Dieser muss weiter verdichtet und mit neuen Mikro-ÖV Lösungen ergänzt werden. Weiters ist die Elektrifizierung und Dekarbonisierung ein wichtiges Thema. Gefordert wird daher eine Aufstockung der Bundes-Mittel von derzeit 105 Millionen auf 300 Millionen Euro pro Jahr (Teile hiervon auch für den Bereich Mikro-ÖV)

  • Zur Erreichung der Klimaziele.
  • Um die Verkehrswende zu schaffen.
  • Um auch weit über die Städte und zentralen Verkehrsknoten hinaus entsprechende Möglichkeiten für die Menschen zu schaffen.

5) Grundsteuer B

Die Grundsteuer B ist die zweitwichtigste gemeindeeigene Abgabe. Da ihre Bemessungsgrundlagen abseits von Neu-, Zu- und Umbauten seit Jahrzehnten nicht aktualisiert wurden, steht sie zum einen auf wackeligen verfassungsrechtlichen Beinen und kann zum anderen ihr Einnahmenpotenzial längst nicht ausschöpfen. Vor allem die kasuistische und komplizierte Bewertung und das chronisch fehlende Bewertungspersonal in den Dienststellen des Finanzamts Österreich führt darüber hinaus zu enormen Bearbeitungsdauern und Bewertungsrückständen – was immer wieder auch zu Verjährungen führt. 

  • In seiner Resolution vom Juni 2023 forderte der Österreichische Gemeindebund die Einrichtung eine Arbeitsgruppe von BMF, Gemeindebund und Städtebund, die zeitnahe einen beschlussreifen Gesetzesentwurf für eine Reform der Grundsteuer B erarbeiten soll. Entsprechende Reformvorschläge wurden bereits von den kommunalen Spitzenverbänden gemacht.
  • Im Rahmen einer Reform der Grundsteuer B sollten den Gemeinden durchaus auch Steuerungsinstrumente (Ökologisierung, Soziales etc.) in die Hand gegeben werden.

Sonstiges

Neben den grundsätzlichen Säulen gibt es noch in einigen Detailbereichen Forderungen, die nun kurz zusammengefasst werden:

  • Gemeinsame Finanzierung der Siedlungswasserwirtschaft durch Bund, Länder und Gemeinden: Erhöhung der jährlichen Neuzusagen im Umweltförderungsgesetz von dzt. 80 Millionen auf dann 130 Millionen Euro.
    • Vor allem auch zur Erreichung der EU-rechtlich vorgegebenen höheren Reinigungsgrade bei Kläranlagen.
    • Zur Sanierung von Altanlagen bei Kläranlagen und Trinkwasserversorgung.
    • Zur Nachrüstung von Trinkwasserversorgungsanlagen zur Bewältigung des Klimawandels.
  • Schulverwaltung „in eine Hand“ und keine Doppelgleisigkeiten mehr!
    • Pädagogisches und Assistenz-Personal soll zukünftig ausschließlich bei den Bildungsdirektionen angestellt sein. 
    • Laptops und Tablets sind wie das Schulbuch zu betrachten – das muss wie die Schulbuchaktion Bundessache sein
    • Das veraltete Schularztwesen soll zugunsten von periodischen Mutter-Kind-Pass Untersuchungen weiterentwickelt werden.
  • Verbesserung der Schülerfreifahrt im Gelegenheitsverkehr
    • Durch Mittelaufstockung und dauerhafte Teuerungsanpassung
    • Durch mehr Flexibilität in den Durchführungsbestimmungen (u.a. bei der 2km Regel im ländlichen Raum an stark befahrenen Straßen oder bei besonderer Exponiertheit)
  • Inklusionsfonds
    • Die Inklusion wird ausschließlich von den Gemeinden in den Bereichen der Kinderbetreuung und Pflichtschule getragen. 
    • Für die Finanzierung der Leistungen für Menschen mit Behinderungen und die Finanzierung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Menschen mit Behinderung bedarf es deutlich höherer finanzieller Unterstützung des Bundes als bisher.
    • Es wird zusammen ein „Inklusionsfonds“ mit einer Mittelausstattung von rund 275 Millionen Euro jährlich für die Gemeinden vorgeschlagen (davon € 50 Mio. für Stützkräfte an Pflichtschulen)
  • Kommunaler Integrationsfonds
    • Vor allem für die Städte ist die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund eine zunehmende Herausforderung. Es braucht hier jährliche Bundesmittel in einer Größenordnung von bis zu 50 Millionen Euro, damit die Last nicht nur auf den Schultern der Kommunen liegt.
    • Und vor allem auch ein „Residenzmodell“ nach dem Vorbild von Schweden wird vorgeschlagen. Damit Integration auch konsequent in der Verantwortung der lokalen Behörden gelingen kann, soll es bis zur endgültigen Aufnahme im Gastland dauerhafte Bindung an den Wohnsitz geben.  

25.08.2023