"Freiwillige vor!" auch bei kommunalen Aufgaben?

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Können kommunale Aufgaben auch von Freiwilligen übernommen werden? In welchen Bereichen engagieren sich Menschen? Und warum? Diese Fragen beantwortet eine Studie der Wirtschaftsuni Wien, die für die Kommunalen Sommergespräche 2012 erstellt wurde.

"Ich war ziemlich überrascht, mit welcher Deutlichkeit die Auftraggeber meiner Studie wissen wollten, inwiefern Aufgaben der öffentlichen Hand auch von Freiwilligen übernommen werden könnten", gestand Studienautorin Eva More-Hollerweger von der Wirtschaftsuniversität Wien. "Bislang galt in diesem Forschungsbereich oft die Prämisse: Freiwilligenarbeit darf professionelle Erwerbsarbeit nicht ersetzen."

Die Ergebnisse von Hollerwegers Forschungsarbeit sind in manchen Bereichen sehr überraschend. Erstmals wurde nicht nur die formelle Arbeit in Vereinen und Organisationen erfasst, sondern auch die informelle Freiwilligenarbeit. Damit ist vorwiegend Nachbarschaftshilfe gemeint, die außerhalb formeller Strukturen stattfindet.

Bereitschaft zur Ehrenamtlichkeit nimmt in Ballungsräumen deutlich ab


Einige Grundlagen sind dennoch  bekannt und werden durch Hollerwegers Studie bestätigt. "Es stellt sich immer deutlicher heraus, dass das freiwillige Engagement mit der Bevölkerungsdichte signifikant abnimmt", so Hollerweger. Darunter leiden vor allem die städtischen Ballungsräume. In der formellen Freiwilligenarbeit sind Kultur, Sport, Katastrophenhilfe und Religion die häufigsten Bereiche des Engagements. Mehr als 14 Millionen Stunden pro Woche werden insgesamt in allen Bereichen freiwillig geleistet. "Ein unglaublicher Wert", sagt Hollerweger. "Das entspricht einer Leistung von 13 Prozent aller unselbstständig geleisteten Erwerbsarbeit." In den genannten Bereichen liege auch künftig die größte Notwendigkeit ehrenamtlicher Arbeit. "Dazu kommt noch das Themenfeld der Altenbetreuung, in dem die Mehrheit der Menschen großen Bedarf an freiwilligen Helfern sieht."


Sichtbar wird das Ausmaß von Freiwilligenarbeit auch, wenn man die Zahl der eingetragenen Vereine in Österreich betrachtet. "Zwischen 1960 und heute hat sich die Anzahl der Vereine von rund 40.000 auf heute 120.000 verdreifacht", berichtet die Forscherin.


Fitte Senioren sind großes Potential für freiwilliges Engagement


Eine neue Entwicklung ist, dass zunehmend Freiwillige auch zur Erfüllung kommunaler Aufgaben angesprochen und herangezogen werden. In 80 Prozent der Gemeinden ist das schon jetzt vereinzelt der Fall. Mehrheitlich sind es auch Kultur, Sport, Freizeiteinrichtungen und Altenbetreuung, wo Freiwillige Aufgaben übernehmen, für die eigentlich die Gemeinde zuständig ist.


Am häufigsten sind übrigens Menschen zwischen 40 und 60 freiwillig aktiv. "Ein sehr großes Potential in der ehrenamtlichen Arbeit sind inzwischen aber die Menschen über 60 Jahre, die schon im Ruhestand sind, aber körperlich vollständig fit sind", betont Hollerweger. Dabei kommt natürlich auch die Frage auf: Warum engagieren sich Menschen NICHT? Banale Antwort: Weil sie oft nie gefragt wurden. "Das ist der zweithäufigste Grund für ein Nicht-Engagement", berichtet Hollerweger aus ihren Ergebnissen.


Rechtliche Rahmenbedingungen verbessern


Zusammenfassendes Ergebnis der WU-Studie: Freiwilligenarbeit ist weiter ausbaubar, sie ist potentiell auch geeignet, kommunale Leistungen zum Teil zu übernehmen. "Wichtig ist aber, dass die soziale Absicherung dieser Arbeit besser wird, das ist auch ein großer Grund, warum Menschen sich nicht engagieren. Oft entsteht das Gefühl: "Wenn ich etwas mache, bin ich voll verantwortlich und gerate vielleicht in rechtliche Probleme auch mit Haftungsfragen", sagt Hollerweger. "Das ist ein Bereich, den man rasch und vollständig klären muss."


Österreich verfüge über ein europaweit sehr hohes Potential an Freiwilligen. ?Dafür sind in hohem Maß auch die Gemeinden mitverantwortlich?, so Hollerweger. Abgefragt wurde in der Studie übrigens auch die Akzeptanz eines verpflichtenden Sozialjahres. Ergebnis: Fast 80 Prozent der Befragten befürworten die Einführung eines verpflichtenden Sozialjahres. (Lesen Sie hier auch die Forderung von Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer)


Von 25. bis 27. Juli 2012 finden in Bad Aussee die "Kommunalen Sommergespräche 2012" statt. Dort diskutieren rund 250 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über "Die Grenzen der öffentlichen Hand". Mit dabei sind u.a.  Helmut Mödlhammer, Alois Steinbichler, Josef Pröll, Peter Filzmaier, Klaus Schweinsberg, Eva More-Hollerweger, Bettina Vollath, Wolfgang Mazal, Theo Öhlinger, Werner Kerschbaum, u.v.m..

26.07.2012