Gemeinden bringen Bundespolitik unter Druck

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Beim 60. Österreichischen Gemeindetag in Linz deponierten die Gemeinden – zwei Wochen vor den NR-Wahlen - mit lauter Stimme ihre Forderungen und Anliegen an die nächste Bundesregierung. Vor allem wollen sie nicht ständig mit neuen Aufgaben betraut werden. Präsident Mödlhammer verlangte gar einen "Belastungsstopp für die Kommunen".

Jubiläums-Gemeindetag in Linz: Vor 60 Jahren trafen sich erstmals Österreichs Gemeindevertreter, um gemeinsam über Zukunftsfragen der Kommunen zu beraten. Damals wie heute an der Wiege des Gemeindebundes, denn dieser wurde auch von Oberösterreich ausgehend gegründet.

Manche der heutigen kommunalen Themenfelder ähneln jenen von vor 60 Jahren immer noch. So sind Zustimmung und Vertrauen für die Arbeit der Gemeinden ungebrochen hoch, wie eine vom Gemeindebund in einer Pressekonferenz vorgelegten Umfrage beweisen. 47 Prozent der Menschen vertrauen der kommunalen Ebene am meisten, 33 Prozent den Bundesländern. Der Bund liegt mit elf Prozent ebenso abgeschlagen wie die EU mit sieben Prozent. "Auch im Hinblick auf die Effizienz der Arbeit haben die Gemeinden hervorragende Werte", betonte Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer bei der Pressekonferenz. "Deshalb wollen die Menschen auch, dass wir künftig mehr mitzureden haben sollen."

Zuversicht der Bevölkerung ist gering

Die Zuversicht der Bevölkerung, was die nächste Regierung anbelangt ist freilich gering. Nur wenige glauben, dass die kommende Bundesregierung jene großen Reformen anpackt, die nötig wären, um das Land wettbewerbsfähig zu halten. Nur 21 Prozent haben die Hoffnung, dass sich nach den Wahlen endlich etwas bewegt. "Das ist natürlich ein Armutszeugnis und sollte den Parteien gerade so kurz vor der Wahl wirklich zu denken geben", so Mödlhammer. "Der Reformbedarf selbst wird nämlich von den Menschen erkannt. 63 Prozent finden, dass gerade in diesem Bereich Reformen wichtig wären. Auch die Pensionen (48%) und die Pflege (44%) weisen hohen Handlungsbedarf auf."

Für die Gemeinden des Landes Oberösterreich zog deren Präsident, auch Gastgeber des Gemeindetages, Johann Hingsamer eine optimistische Bilanz: "Unsere Gemeinden stehen inzwischen auch finanziell ganz gut da, wir haben rund 61 Mio. Euro an Überschüssen erzielt. Das wird leider durchs Defizit der Stadt Linz von 70 Mio. Euro wieder aufgefressen. Insgesamt haben Österreichs Gemeinden im vergangenen Jahr mehr als 450 Mio. Euro an Überschüssen erwirtschaftet." "Würden Bund und Länder so haushalten wie wir, dann hätte das Land keinerlei Finanzprobleme", sagte Mödlhammer.

Gemeinden stellen Forderungen an künftige Regierung

Ganz wesentlich für die kommende Legislaturperiode ist der Abbau von bürokratischen Hürden und das Eindämmen der Gesetzesflut: "Wir in den Gemeinden leiden jeden Tag unter den tausenden Vorschriften und Gesetzen, die es bis ins kleinste Detail gibt und die von Bund und Ländern zu uns herunterkommen", so Mödlhammer. Um eine möglichst effiziente und schnelle Umsetzung von Verbesserungen zu erzielen, fordern die Gemeinden zudem die Vertragsfähigkeit mit dem Bund. "Wir sehen sehr oft, wieviel Zeit es kostet, wenn wichtige Projekte, wie etwa der Ausbau der Kinderbetreuung, über jeweils eigene 15a-Vereinbarungen mit den Ländern geregelt werden müssen", erzählt Mödlhammer.

Für den kostenintensiven Um- und Ausbau der Bildungseinrichtungen fordert der Gemeindebund-Chef die Möglichkeit, die Vorsteuer wieder zurückzuholen. "Die Verteuerung der Kosten um 20 Prozent, kann nicht im Sinne eines Regierungsprogramms sein, egal welche Couleurs die neue Regierung hat", sagt Mödlhammer. Später, bei der Haupttagung wird Finanzministerin Maria Fekter dann genau auf diesen Wunsch eingehen. "Ich werde drauf schauen, dass das ins nächste Regierungsprogramm kommt", verspricht sie.

Schon am Abend zuvor hatte der Gemeindebund bei einer Feier mit dem Bundesvorstand verdiente Funktionäre geehrt. Rund zehn ehemalige Präsidenten und andere Funktionäre erhielten die Ehrenmitgliedschaft des Gemeindebundes oder andere Ehrungen. "Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass sich Kommunalpolitiker, deren Programm ohnehin schon sehr dicht ist, noch für die Interessen anderer Gemeinden engagieren", sagte Mödlhammer bei der Verleihung der Ehrenzeichen.

Kooperation von Gemeinden erleichtern, nicht erschweren

Um mehr Gemeindekooperationen zu ermöglichen, fordern die Bürgermeister zudem die steuerlichen Hürden aus dem Weg zu räumen. "Es muss möglich sein, dass Gemeinden gemeinsam Personal für spezifische Leistungen nutzen, ohne dafür Umsatzsteuer bezahlen zu müssen. Alles andere wäre widersinnig und entspricht nicht dem Kooperationsgeist zwischen staatlichen Stellen, der andauernd eingefordert wird." Die letzte wichtige Forderung ist die Einführung eines "Sondertopfs für strukturschwache Gemeinden" im Zuge des neuen Finanzausgleichs. "Es gibt Gemeinden, die nie in der Lage sein werden, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Ihre Lage in strukturschwachen Gebieten erfordert dennoch eine minimale Infrastruktur. Wir können diese Gebiete ja nicht absiedeln", so Mödlhammer bei seiner Pressekonferenz im Design-Center in Linz.

FLGÖ-Bundesfachtagung und Kommunalmesse

Stichwort Design-Center: Dort fand heuer auch - zeitlich parallel zum Gemeindetag - wieder die Kommunalmesse statt. Bei rund 140 Ausstellern konnten sich die Bürgermeister/innen und Gemeindevertreter/innen über Neuheiten in vielen Bereichen, von der EDV bis zum Schneepflug, informieren. Zum insgesamt zweiten Mal hielt auch der Fachverband der leitenden Gemeindebediensteten (FLGÖ) sein Bundestreffen während des Gemeindetages ab. FLGÖ-Chef Franz Haugensteiner durfte sich dabei nicht nur über hervorragende Workshops und Referenten freuen, auch der Besuch war enorm. Stargäste waren u.a. der Politikforscher Peter Filzmaier und Ex-Skistar Stefan Eberharter, der über Motivationsmöglichkeiten referierte.

Gesellschaftlicher Höhepunkt mit Überraschungen

Ein besonderes Highlight hatte sich der Oberösterreichische Gemeindebund für den Galaabend am Donnerstag einfallen lassen. Mit drei Schiffen wurden die Gemeindetag-Gäste über die Donau direkt in die ILL-Halle der VOEST gebracht, eigentlich eine Verladehalle für Stahlprodukte. Die Schiffe konnten direkt in die Halle fahren, wo für mehr als 2.000 Personen festlich aufgedeckt war. Dass es zu leichten Verzögerungen wegen eines kleineren Maschinenschadens kam, tat der Laune der Bürgermeister/innen keinen Abbruch. Das Essen war hervorragend und die Showeinlagen sorgten für Jubel und Begeisterung. Gastgeber Hans Hingsamer konnte zufrieden sein. Eine große Überraschung gab es für Gemeindebund-Chef Mödlhammer, dem das druckfrische Erstexemplar seiner Biographie "Mein Lebensweg für die Gemeinden" überreicht wurde (ab sofort im Buchhandel oder über amazon.at erhältlich).

Am Freitag dann - wie gewohnt - die politische Haupttagung. Mit 2.000 Delegierten war die Tips Arena auf der Gugl gut gefüllt, die politische Prominenz riesig. Die Vorstellung der Redner/innen erfolgte auf ganz besondere Art und Weise. Kinder aus Linzer Volksschulen beschrieben die Spitzenpolitiker, ohne sie beim Namen nennen zu dürfen. Zur Erheiterung der Gäste selbst, aber auch der Teilnehmer. Über Maria Fekter wurde da etwa gesagt: "Ihr Name reimt sich auf Nektar, sie muss Paparazzi fürchten und passt auf unser Geld auf."
Ernster ging es dann in den Ansprachen selbst zu. "Ich bin besonders beeindruckt, dass Bundespräsident Heinz Fischer in seiner Amtszeit keinen einzigen Gemeindetag ausgelassen hat und heuer zum zehnten Mal unser Gast ist", sagte Gastgeber Helmut Mödlhammer in seiner Rede in der er einmal mehr vor teuren Wahlversprechen der Bundeseben eindringlich warnte.

"Zerstörer und Brandstifter"

Auch zu den in der Steiermark laufenden Reformprozessen fand Mödlhammer klare Worte. "Wer an unserer Gemeindeautonomie rüttelt, der ist kein Reformer, sondern ein Zerstörer und ein Brandstifter an den Grundmauern der Demokratie", so Mödlhammer. "Lassen wir uns von den Zentralisten, die von der Praxis keine Ahnung haben, nicht einschüchtern, sondern kämpfen wir um unsere erfolgreiche Struktur und die Gemeindeautonomie", so der Gemeindebund-Präsident.

Mödlhammer warnte auch vor zu vielen und zu teuren Wahlversprechungen: "Es ist im Moment eine ganz gefährliche Zeit, denn vor Nationalratswahlen werden oft Versprechen gemacht, die entweder nicht eingelöst werden oder von anderen - auch von den Gemeinden - bezahlt werden müssen. Dagegen werde ich kämpfen, denn wir in den Gemeinden sagen den Menschen schon lange, dass nicht mehr alles finanzierbar ist. Wir werden auch weiterhin sparen müssen, um Schulden abzubauen. In den letzten beiden Jahren ist uns das gut gelungen. Die Gemeinden haben 2012 rund 480 Millionen Überschüsse erwirtschaftet, ich lasse mir daher auch nicht dauernd sagen, dass wir Schuldenkaiser sind oder nicht wirtschaften können."

Gemeindebund will direkte Vereinbarungen mit dem Bund schließen können

Ähnlich wie beim Finanzausgleich forderte Mödlhammer das Recht für den Gemeindebund ein, im Namen der Gemeinden direkte Vereinbarungen mit dem Bund schließen zu können. "Wenn ich mir anschaue, wie mühsam es ist, das Geld des Bundes für den Ausbau der Nachmittagsbetreuung zu den Gemeinden zu bringen, dann stellt es mir alle Haare auf. Da brauchte es dann zwischen jedem Land und dem Bund eigene Vereinbarungen, das ist wirklich unsinnig und erzeugt nur viel Bürokratie. Wir wollen hier direkte Vertragsfähigkeit der kommunalen Interessensvertretungen, so wie wir das beim Finanzausgleich auch haben", so Mödlhammer.

Gemeinden arbeiten mit "Anstand, Hausverstand und Wirtschaftlichkeit"

Von Finanzministerin Maria Fekter forderte Mödlhammer Erleichterungen beim Bau von Bildungseinrichtungen ein, die von der Ministerin für die Zeit nach der Wahl auch zugesagt wurden. "Ich werde drauf schauen, dass das ins Regierungsprogramm kommt", sagte Fekter. Sie wiederum warb dafür, dass auch die Gemeinden ihre Buchhaltungen aufs doppische System umstellen.

Alles in allem war dieser so wichtige Gemeindetag vor den NR-Wahlen ein wichtiges und sichtbares Zeichen der Geschlossenheit und Einigkeit unter den Gemeindevertretern. "Das Schöne an der Kommunalpolitik ist ja, dass es hier selten und Parteipolitik geht", so Mödlhammer. "Wenn es um die Interessen der Gemeinden geht, dann ziehen wir alle an einem Strang."

Der nächste Gemeindetag findet im kommenden Jahr, schon im Juni im burgenländischen Oberwart statt.

Foto: Gemeindebund

17.09.2013