"Hoffentlich wird's nicht so schlimm, wie es schon ist"

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"Die Prognosemodelle von uns Volkswirten sind am Ende angelangt", sagt der internationale Ökonom Klaus Schweinsberg beim Auftakt der Kommunalen Sommergespräche. Die Finanz- und Wirtschaftskrise sei nicht der Höhepunkt der Probleme gewesen, der große Systembruch komme vermutlich erst 2013 oder 2014.

Mit düsteren Feststellungen des international angesehenen Nationalökonomen Klaus Schweinsberg begann der inhaltliche Teil der Kommunalen Sommergespräche 2012 in Bad Aussee. "Die Prognosemodelle von Volkswirten und Ökonomen, wie ich auch einer bin, sind spätestens seit dem zweiten Hilfspaket für Griechenland am Ende angelangt", sagte Schweinsberg. "Unsere Rechenmodelle basieren nämlich auf Fakten und rationalen Annahmen und nicht auf emotionalen Vermutungen. Wir sind somit eigentlich aus dem Spiel." 

Am besten, so Schweinsberg, passe derzeit ein Zitat von Karl Valentin: "Hoffentlich wirds nicht so schlimm, wies schon ist". Dies sei eine gute Zustandsbeschreibung für das, was in Europa politisch und ökonomisch gerade ablaufe. "Es kann daher auch niemanden überraschen, dass in fast allen europäischen Staaten die Abneigung gegen parlamentarische Demokratien wächst. Die Piraten in Deutschland sind nur eines von vielen sichtbaren Zeichen dafür. Generell führt diese Abneigung auch dazu, dass es zu bedenklichen Entwicklungen am rechten und linken Rand des politischen Spektrums kommt und niemand wirklich weiß, wo das hinführt.


Der große Systembruch kommt noch


Auch eine interessantes historisches Faktion zeigte der Ökonom auf: "In den letzten Jahrhunderten ist es jeweils im zweiten Jahrzehnt zu sehr relevanten Systembrüchen gekommen. Das können Sie über hunderte Jahre zurück verfolgen. Uns steht dieser Systembruch noch bevor, die Finanz- und Wirtschaftskrise war nur die Ouvertüre dazu, wir alle spüren ja auch subjektiv, dass da noch was kommt. Diese Systembrüche beinhalten immer dramatische Veränderungen auch in den politischen und wirtschaftlichen Systemen, wohlgemerkt aber nicht immer zum schlechteren."


Kein Schmäh: Schweinsberg wollte mit Bürgermeistern "auf Augenhöhe sprechen" und verließ für seinen Vortrag die Bühne.

Große Einheiten sind kaum noch steuerbar


Schweinsberg vertrat auch mit großer Vehemenz und brillanter Logik die Vorteile kleinerer Einheiten, nicht umsonst stand sein Vortrag auch unter dem Titel "Small is beautiful". "Wir sehen ja auch in der Wirtschaft, dass Großkonzerne die Grenze der Steuerbarkeit schon lange erreicht haben. Wie soll ein Unternehmen wie Siemens mit fast 500.000 Mitarbeitern oder ein Konzern wie die Telekom noch vernünftig gesteuert werden können?"


Das gelte auch für große Banken. "Es ist verrückt, dass das wirklich harte Eigentkapital der Deutschen Bank de facto bei zwei Prozent liegt. Da stimmt sehr grundsätzlich etwas nicht", so Schweinsberg. Das gleiche Phänomen könne man auch in Europa beobachten. "Wir rasen von einem Gipfel zum anderen, wo Dinge beschlossen werden, die dann ohnehin keiner umsetzt."


Vernünftig ist, was sich verantworten lässt


"Die Zukunft politischer und wirtschaftlicher Systeme liege daher auch in der Kleinheit", behauptet Schweinsberg und zitiert den österreichischen Ökonomen Leopold Kohr: "Vernünftig ist, was sich verantworten lässt. Verantworten lassen sich Handlungen und Entwicklungen, die überschaubar sind. Deshalb ist vernünftiges Handeln auch nur in überschaubaren Einheiten praktizierbar." Eine Erkenntnis, die in der Grundlage auf Aristoteles beruhe.


Es werde daher in sehr großem Ausmaß auch von den Gemeinden abhängen, ob die westlichen politischen Systeme eine Zukunft haben, glaubt Schweinsberg. "Die Gemeinden gibt es schon lange. Oberhalb der Gemeinden sind politische Systeme immer wieder gekommen und wieder verschwunden. Das zeigt ja: Die Organisationsform der Gemeinde ist bewährt und stabil. Stabiler als alle anderen Formen politischer Organisation."


Die Gemeinden seien auch "Orte der Wahrheit". "Die Menschen sind bereit, sich zu engagieren, sofern es nicht um dreistündige Debatten zur Geschäftsordnung geht. Sie wollen sich engagieren, sie kennen sich untereinander, kontrollieren einander auch. In Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern beginnt dieser Kitt zu bröckeln, die Dinge werden anonym und verlieren an Qualität.

Haltung, Haftung, Hingabe

Natürlich hätten die Gemeinden auch ihre Hausaufgaben zu machen. Haushalte ausgleichen und Strukturreformen durchziehen, daran führe kein Weg vorbei. Die Schaffung immer größerer Einheiten sei aber keine belegbar bessere Lösung. "Sie in den Gemeinden brauchen tüchtige Bürgermeister und engagierte Bürger, das ist ihre Aufgabe und ihre Herausforderung. Haltung, Haftung und Hingabe sind die wichtigsten Eigenschaften, die sie brauchen. Haltung gegenüber äußeren Einflüssen. Haftung für ihr eigenes Handeln, Verantwortung übernehmen für das, was sie tun. Und Hingabe für die Aufgabe, die sie als Bürgermeister ausfüllen."

Die Gemeinden, gab sich Schweinsberg überzeugt, "sind die Einheiten mit der größten Zukunft in einer Welt voller Unsicherheit und Unwägbarkeiten."

Von 25. bis 27. Juli 2012 finden in Bad Aussee die "Kommunalen Sommergespräche 2012" statt. Dort diskutieren rund 250 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über "Die Grenzen der öffentlichen Hand". Mit dabei sind u.a.  Helmut Mödlhammer, Alois Steinbichler, Josef Pröll, Peter Filzmaier, Klaus Schweinsberg, Eva More-Hollerweger, Bettina Vollath, Wolfgang Mazal, Theo Öhlinger, Werner Kerschbaum, u.v.m..

26.07.2012