Mama Bürgermeisterin? Kein Recht auf Karenz

Achtung: dieser Eintrag ist nicht mehr aktuell!

Die soziale Absicherung für Bürgermeister ist ein Problem mit vielen Facetten. Für weibliche Bürgermeister kann das doppelt schwer sein, denn sie haben kein Recht auf Karenz oder Mutterschutz, wenn sie ein Kind bekommen. Dies erfährt derzeit die Bürgermeisterin von St. Valentin in Niederösterreich.

Frauen haben sich schon in vielen Bereichen die Gleichberechtigung erkämpft. Dass alles jedoch nicht so einfach ist, und sie bei diesem Kampf immer wieder beinahe unüberwindbare Hürden zu meistern haben, zeigt das neueste Beispiel aus St. Valentin.

Ein Spagat zwischen Politik und Mutterschaft

Bürgermeisterin Kerstin Suchan wurde 2010 zur Bürgermeisterin gewählt. Seitdem meistert sie die Geschicke der fast 10.000-Einwohner-Gemeinde. Dass sie mit 36 Jahren eine der jüngsten Bürgermeisterinnen Österreichs ist, stellte für sie kein Problem dar. Erst jetzt, wo sie schwanger ist, muss sie feststellen, dass sie einen entscheidenden Nachteil gegenüber ihren männlichen Kollegen hat: Sie hat in ihrem Amt keinen Anspruch auf Mutterschutz oder Karenz. Während bei Bürgermeistern die Familienarbeit meist von den Ehefrauen übernommen wird, und es somit für die Amtsausübung kein Problem ist, muss Kerstin Suchan sich nun gut überlegen, wie sie diesen Spagat schaffen wird. Auch ihr Partner, der selbstständig tätig ist, hat keinen Anspruch auf Elternkarenz.

Eine Stadt wie St. Valentin zu führen, mit einem Bauhof, Wasserwerken und Kläranlagen, geht eben nicht locker nebenher. Ebenso wie ein Baby groß zu ziehen. "Es zeigt sich, dass die Gesellschaft eben doch noch sehr stark auf Männer in den Funktionen aufbaut. Dass Bürgermeisterinnen auch Frauen sein können, die Kinder zur Welt bringen, an das hat der Gesetzgeber bisher nicht gedacht", sagt Suchan gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten.

Suchan wird wenige Tage nach der Entbindung, wenn Mutter und Kind wohlauf sind, schon wieder für ihre Mitarbeiter und Bürger erreichbar sein. Mithilfe der modernen Kommunikationsmittel möchte sie auch während der Stillphase die Amtsgeschäfte von zu Hause aus erledigen. "Wir rüsten gerade unsere Gemeinde technisch soweit auf, dass das möglich sein wird. Somit kann ich die Zeiten, in denen ich tatsächlich persönlich im Gemeindeamt bin, dazu nutzen, um mit meinen Mitarbeitern zu sprechen." Wie es bei Besprechungen und anderen Terminen gehen wird, weiß Suchan noch nicht. "Ich hoffe einfach auf ein braves Kind."

Ohne Unterstützung von Vizebürgermeister und Familie würd's nicht gehen

Eine große Hilfe wird ihre Familie sein. Bei Abendveranstaltungen kann sie auch auf die Unterstützung ihres Partners zählen. Trotzdem möchte Suchan jede mögliche Minute mit ihrem Kind verbringen. Auch Vizebürgermeister Ferdinand Bogenreiter wird nach dem Geburtstermin öfter in den Einsatz geschickt werden, verrät Suchan. Wie sie die Einzelheiten meistern wird, lässt sie noch auf sich zukommen. Die Gemeinde-Mitarbeiter werden sich künftig wohl an das neue Bild von der Bürgermeisterin mit Kinderwagen und Babytragetasche gewöhnen müssen. "Auch bei Veranstaltungen wird man mich halt mit Kind sehen." Nur Zeltfeste will sie im kommenden Jahr eher meiden. Ihre Forderung lautet auf jeden Fall, dass es möglich werden soll, in größeren Gemeinden, den Beruf als Bürgermeister hauptberuflich ausüben zu können. "Ich hätte mich auch in der Gemeinde anstellen lassen können, wie meine Vorgänger. Das wollte ich aber nicht, da ich ja dann einen Mitarbeiterposten besetzt hätte, den ich aufgrund des hohen Aufwands als Bürgermeisterin nicht entsprechend ausfüllen hätte können. Deswegen war es eine bewusste Entscheidung von mir, mich voll dem Bürgermeisterinnenamt zu widmen."

Sylvia Kögler war selbst Landtagsabgeordnete als sie ihr zweites Kind bekam. (Bildrechte: Grafenbach-St. Valentin).Bürgermeisterinnen sind sich einig: "Eine Lösung muss her"

Bürgermeisterin Sylvia Kögler kann Kerstin Suchans Lage sehr gut nachvollziehen: "Ich war zu dem Zeitpunkt, als ich mein zweites Kind bekommen habe, Landtagsabgeordnete und Vizebürgermeisterin von Grafenbach-St. Valentin. Auch da gibt es für Frauen keine soziale Absicherung. Mein Glück war damals nur, dass ich im Juni Entbindung hatte und Juli, August sitzungsfrei waren. So konnte ich zumindest diese Zeit nutzen. Als Bürgermeisterin ist man eindeutig vor Ort noch mehr beschäftigt, wodurch es für sie bestimmt noch schwieriger wird." Kögler konnte diesen Spagat nur mithilfe ihrer Mutter, Schwiegermutter und einem Au-pair schaffen. "Politikerin als Beruf ist an und für sich familienfeindlich. Es ist sehr schwer alles unter einen Hut zu bringen. Für die nächste Generation an jungen Politikerinnen, sollte hier dringend an einer Lösung gearbeitet werden."

Die Bürgermeisterin von Steinach am Ziehberg Bettina Lancaster weist auf die Mehrbelastung hin: "Meine Kinder waren alt genug, als ich Bürgermeisterin wurde. Aber es ist generell schwer und eine bessere soziale Absicherung muss unbedingt her, denn gerade in politischen Funktionen gilt es für uns Frauen, Haushalt, Familie, Zivilberuf und politisches Amt miteinander zu vereinbaren, was schon ohne Baby schwierig ist. Für die eigene Existenzsicherung für die Zeit nach dem Bürgermeisteramt wollen jedoch die meisten Frauen ihren Zivilberuf auch nicht aufgeben."


Anette Töpfls Tag muss mehr als 24 Stunden haben, denn sie meistert Beruf, Familie und Bürgermeisterinnen-Amt. (Bildrechte: Gemeinde Vitis)Bewundernswert ist auch der Einsatz von Bürgermeisterin Anette Töpfl. Sie kommt dank den flexiblen Arbeitszeiten ihren Verpflichtungen im 40-Stunden-Job nach, hat zwei Kinder, die sieben und zehn Jahre alt sind, und macht "halt dann den Rest der Zeit und am Wochenende" noch ihren Job als Bürgermeisterin: "Ich will nicht jammern, denn ich habe mir das ja selbst ausgesucht. Trotzdem könnte die soziale Absicherung für alle besser sein. Ich bewerkstellige das alles auch nur, weil ich für meine Kinder eine gute Betreuung mit einer mobilen Tagesmutter gefunden habe. Trotzdem ginge es ohne meine Mutter als zusätzliche Stütze nicht."

Pro Woche braucht sie alleine an professioneller Betreuung für 48 Stunden jemanden. Darin sind noch nicht die Zeiten enthalten, in denen sich ihre Mutter um die Kinder kümmert. "Mein Mann kann verständlicherweise nur selten einspringen, da er selbst vollzeit arbeitet." Finanziell ist es ebenso eine Herausforderung, allein die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für die Kinderbetreuung, die seit zwei Jahren möglich ist, würde sie schon als Hilfe bezeichnen.

Auch der Gemeindebund, allen voran Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, fordert seit langem eine Verbesserung in diesem Bereich, denn nicht nur beim Mutterschutz, sondern auch bei der sozialrechtlichen Absicherung und bei der Bezahlung sei noch dringender Handlungsbedarf von Seiten des Bundes gegeben.

10.11.2011