"Management mit Hausverstand"

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© Gemeindebund

Seit mittlerweile 13 Jahren liefert der Gemeindefinanzbericht wertvolle Einblicke in die Finanzgebarung der österreichischen Gemeinden. Der soeben erschienene Gemeindefinanzbericht 2017 – erstellt von der Kommunalkredit in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund – gibt die Zahlen des Rechnungsjahres 2016 wieder.

Die Fakten: Hoher Überschuss der laufenden Gebarung, erfreulicher Anstieg der kommunalen Investitionen, weiterer Rückgang des Schuldenstandes, Rekordtief bei den Zinsausgaben ... das sind nur einige der positiven Trends, die der aktuelle Bericht zeigt. Gleichzeitig verzeichneten die österreichischen Gemeinden im abgelaufenen Rechnungsjahr einen Rückgang der freien Finanzspitze und einen Wachstumsschub bei den Ausgaben.

Kommunale Haushaltssituation

2016 wiesen die österreichischen Gemeinden solide Überschüsse auf. Der Saldo der laufenden Gebarung war mit EUR 1.716,0 Mio. der Zweithöchste seit dem Jahr 2000. Die freie Finanzspitze belief sich auf EUR 448,5 Mio. Ein Rückgang, der sich vor allem aufgrund der Steuerreform (seit 1.1.2016 vollständig in Kraft) und einem daraus resultierenden geringeren Steueraufkommen ergab. Zudem bauten die Gemeinden Schulden in Höhe von EUR 118,3 Mio. ab und gleichzeitig Rücklagen von EUR 254,6 Mio. auf. Zusätzlich sind die Investitionen mit +1,6 % auf EUR 2.185,1 Mio. gestiegen. Nominell ist das Investitionsniveau 2016 das Zweithöchste seit dem Jahr 2000.

Das offizielle, durch die Statistik Austria festgestellte Maastricht-Ergebnis der Gemeinden ohne Wien gemäß ESVG 2010 lag bei EUR 31 Mio. oder +0,01 % des BIP. Dieser deutliche Rückgang kann durch den hohen Investitionsgrad der Gemeinden im Jahr 2016, aber auch durch den Umstand, dass Investitionszuschüsse und Gewinnentnahmen von „Quasi-Kapitalgesellschaften“ (vor allem Betriebe mit marktbestimmter Tätigkeit) von der Statistik Austria in die Berechnung des Maastricht-Ergebnisses nicht mehr mit einbezogen werden, erklärt werden.

Einnahmenseite

Die Haushaltssituation ergibt sich vor allem durch die Entwicklung auf der Einnahmenseite (im Wesentlichen bei den gemeindeeigenen Einnahmequellen) und weiteren Zinsausgabenersparnissen – begünstigt durch das auf einem Rekordtief liegende Zinsniveau. So stiegen 2016 die Gemeindeabgaben um +4,1 % bzw. EUR 136 Mio. auf EUR 3,42 Mrd.; davon EUR 82 Mio. aus der Kommunalsteuer, die um +3,8 % anstieg. Die Gebühreneinnahmen wiesen ebenso einen deutlichen Anstieg um +3,5 % bzw. EUR 67 Mio. auf EUR 1,96 Mrd. aus. Die Einnahmen aus Leistungen stiegen um +3,3 % bzw. EUR 53 Mio. auf EUR 1,66 Mrd. Gleichzeitig sanken die Zinsausgaben der Gemeinden um weitere -7,4 % bzw. EUR 11,2 Mio. auf EUR 153,6 Mio.

Ausgabenseite

Die Ausgaben im Bereich Straßen, Wasserbau, Verkehr waren die am stärksten steigenden Ausgabengruppen im Jahr 2016. Sie stiegen deutlich um +16,0 % bzw. EUR 85,6 Mio. auf EUR 622,1 Mio. Ebenso starke Anstiege haben die Bereiche Gesundheit (+4,9 % bzw. EUR 57,5 Mio.) und Unterricht, Erziehung, Sport und Wissenschaft (+4,7 % bzw. EUR 79,9 Mio.) ausgewiesen. Im Bereich Unterricht, Erziehung, Sport und Wissenschaft resultiert der starke Anstieg im Wesentlichen aus dem hohen Ausmaß der getätigten Investitionen (Anstieg von EUR 58,8 Mio.).

Die Anstiegsdynamik der Sozialausgaben der Gemeinden (Sozialhilfe, Ausgaben für Pflege und Seniorenbetreuung) hat sich im Jahr 2016 verlangsamt[1]. Dennoch stiegen diese weiter um deutliche +3,5 % bzw. EUR 61,6 Mio. auf EUR 1,82 Mrd. (2015: +7,4 % bzw. EUR 120,8 Mio. auf EUR 1,76 Mrd.). Bis zum Jahr 2011 war der Bereich Soziale Wohlfahrt wesentlicher Treiber der kommunalen Ausgaben. Im Zeitraum 2000 bis 2011 stiegen die Nettoausgaben für Soziale Wohlfahrt einschließlich Pflege um +98,8 % (+9,0 % p. a.). Mit Einführung des Pflegefonds im Jahr 2011 wurde diese außergewöhnliche Ausgabendynamik vorübergehend gebremst. Die Nettoausgaben für Soziale Wohlfahrt sanken 2012 um -2,0 %, 2013 stiegen sie durch die Wirkung des Pflegefonds moderat um +2,8 % bzw. EUR 42 Mio. auf EUR 1,54 Mrd. Ab dem Jahr 2014 zeigte dieser Ausgabenblock, trotz der Wirkung des Pflegefonds, erneut einen außergewöhnlichen Anstieg (2014: +6,3 % bzw. EUR 96,7 Mio.). Das neue FAG 2017 sieht vor, dass der Pflegefond mit EUR 350 Mio. weitergeführt und ab 2018 mit 4,5 % valorisiert wird. Mit einem Anstieg von +136,6 % bzw. EUR 1,05 Mrd. sind die jährlichen Ausgaben für Soziale Wohlfahrt die am stärksten steigenden Nettoausgaben der Gemeinden seit dem Jahr 2000. Zum Vergleich: Die Inflation betrug im selben Zeitraum 31,6 %[2].

Die Nettoausgaben für Gesundheit liegen mit einem Anstieg seit dem Jahr 2000 von +100,5 % bzw. EUR 618,4 Mio. auf Platz zwei. Im Zuge der Verhandlungen zum FAG 2017 wurden Kostendämpfungspfade für Gesundheit und Pflege vereinbart. Der Kostendämpfungspfad begrenzt die Steigerungen der Ausgaben für Pflege auf 4,6 % pro Jahr und wird in der Gesundheit fortgeführt. Die zulässigen Steigerungsraten werden schrittweise von 3,6 % im Jahr 2017 auf 3,2 % im Jahr 2021 verringert.

Anhaltend niedriges Zinsniveau, starker Rückgang der freien Finanzspitze

Bedingt durch das tiefe Zinsniveau, sanken die Zinsausgaben der Gemeinden 2016 um EUR 11,2 Mio. bzw. -7,4 % auf ein Rekordtief von EUR 153,6 Mio. und blieben damit auf historisch niedrigem Niveau. Die Gemeinden ersparten sich damit ca. EUR 130 Mio. bei den Zinsausgaben im Vergleich zu den durchschnittlichen Zinsausgaben im Zeitraum 2001 bis 2015 (EUR 284,8 Mio.). Gleichzeitig konnten die Gemeinden aber auf der Habenseite kaum Zinserträge erwirtschaften.

Die freie Finanzspitze gilt als Indikator für den finanziellen Handlungsspielraum einer Gemeinde und deren zukünftiges Investitionsverhalten. Sie ergibt sich aus dem Saldo der laufenden Gebarung abzüglich geleisteter Tilgungszahlungen. Mit EUR 448,5 Mio. ist sie 2016 deutlich gesunken. Dieser Rückgang ist nicht zuletzt auf die Steuerreform (seit 1.1.2016 vollständig in Kraft) und dem daraus resultierenden geringen Wachstum der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben zurückzuführen. Trotz dieser Entwicklung ist es den Gemeinden gelungen, im Jahr 2016 die Investitionen auf sehr hohem Niveau zu halten, Schulden abzubauen und gleichzeitig die Rücklagen deutlich zu steigern.

Finanzschuld weiter reduziert, Rücklagen auf Höchststand

Seit 2011 sinkt der Schuldenstand der Gemeinden. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2016 fort. Die Finanzschuld der Gemeinden sank 2016 um weitere EUR 118,3 Mio. oder
-1,1 % auf EUR 11,14 Mrd. (2015: EUR 11,25 Mrd.). Damit verringerte sich der Schuldenstand der Gemeinden in den letzten sechs Jahren um EUR 
547 Mio. Diese Entwicklung ist vor allem auf die Haushaltskonsolidierung zurückzuführen. Weitere beeinflussende Faktoren waren das niedrige Investitionsniveau der Jahre 2011 und 2012 verbunden mit dem Grundsatz, dass die Aufnahme von neuen Schulden nur in Zusammenhang mit Neuinvestitionen erfolgte.

Weiters ist hervorzuheben, dass der Schuldenabbau der Gemeinden laufend erfolgen muss und Schuldentilgungen durch laufende Einnahmen[3] gedeckt sein müssen.

Die Rücklagen der Gemeinden sind aus Haushaltsüberschüssen gebildete tatsächliche Reserven bzw. für Einzelprojekte zweckgebundene Mittel. 2016 erhöhte sich deren Stand im Vergleich zum Vorjahr um beachtliche EUR 254,6 Mio. bzw. +13,6 % auf EUR 2,13 Mrd. Damit befand sich der Rücklagenstand der Gemeinden (ohne Wien) 2016 auf dem Höchststand seit dem Jahr 2000. Ein hoher Rücklangenstand spiegelt auch das hohe Investitionsniveau wieder, da ein großer Teil dieser Rücklagen hinkünftig zur Tilgung endfälliger Darlehen verwendet wird.

Kommunale Investitionen weiter über der 2 Milliarden-Grenze

Im Jahr 2016 stiegen die kommunalen Investitionen[4] um +1,6 % bzw. EUR 33,9 Mio. auf EUR 2.185,1 Mio.[5] und blieben somit auf einem sehr hohen Niveau. Dies erklärt sich unter anderem daraus, dass die kommunalen Investitionen aufgrund des Wegfalls des Vorsteuerabzugs für Investitionen in ausgegliederten Gesellschaften verstärkt im Gemeindehaushalt durchgeführt werden. Die Entwicklung ist jedoch sehr uneinheitlich im Bundesländervergleich.

Haushaltsindikatoren in Niederösterreich stabil auf hohem Niveau

Der Saldo der laufenden Gebarung (öffentliches Sparen) ist mit EUR 466,7 Mio. auf einem hohen Niveau geblieben (2015: EUR 492,4 Mio.). Diese Entwicklung spiegelte sich bei der freien Finanzspitze der Gemeinden Niederösterreichs wider, die sich trotz des Effekts der Steuerreform um -16,6 % auf EUR 104,8 Mio. reduziert hat und somit klar unter dem Österreich-Durchschnitt von -29,0 % liegt.

Der Finanzierungssaldo der niederösterreichischen Gemeinden (laut VRV 1997) ist mit -73,3 % auf EUR 19,3 Mio. deutlich gesunken. Er ist eine Annäherung an das tatsächliche Maastricht-Ergebnis der Gemeinden. Das offizielle Maastricht-Ergebnis der Gemeinden ergibt sich nach einer Bereinigung des Finanzierungssaldos durch die Statistik Austria um das Ergebnis der ausgegliederten Gesellschaften der Gemeinden und einmalige Effekte. Im Jahr 2016 beläuft sich das offizielle Maastricht-Ergebnis der Gemeinden Niederösterreichs gemäß ESVG 2010 auf EUR 13 Mio.

Investitionen sinken, bleiben aber auf hohem Niveau

Das Investitionsvolumen der Gemeinden Niederösterreichs sank 2016 um -3,5 % auf EUR 557,9 Mio. Pro Einwohner betrachtet lag der Wert bei EUR 341,- (Österreich-Durchschnitt: EUR 322,-). Somit lagen die Investitionen der niederösterreichischen Gemeinden 2016 unter dem Vorkrisen-Niveau von EUR 422,- pro Einwohner im Jahr 2008.

Verschuldung sinkt weiter

Die Finanzschulden der niederösterreichischen Gemeinden sanken 2016 um -0,5 % bzw. EUR 16,9 Mio. (Schuldenabbau seit 2010: EUR 258,8 Mio.) auf EUR 3,52 Mrd. Die Zinsausgaben haben 2016 mit EUR 42,0 Mio. ein neues historisches Tief erreicht. Somit ersparten sich die Gemeinden Niederösterreichs  im Jahr 2016 ca. EUR 113 Mio. bei den Zinsausgaben im Vergleich zu dem Höchst-Stand der Zinsausgaben im Jahr 2008.

Blick nach vorne

Trotz der ab dem Frühjahr 2017 deutlich verbesserten konjunkturellen Lage (für 2017 wird mit einem realen BIP-Wachstum von 2,8 % gerechnet) und einer gewissen Entspannung am Arbeitsmarkt werden die Jahre ab 2017 sehr herausfordernd für die Gemeinden. Vor allem der ausgabenseitige Druck (deutlich steigende Ausgaben für den Sozial- und Gesundheitsbereich) wird sich in den Gemeindehaushalten niederschlagen. Es wurde in den Finanzausgleichsverhandlungen vereinbart, dass Bund, Länder und Gemeinden erneut in Verhandlungen eintreten, falls der für die Pflege vereinbarte Kostendämpfungspfad von 4,6% (maximales jährliches Ausgabenwachstum) nicht eingehalten werden kann.

Die Entwicklung der Ertragsanteile im Jahr 2017 wird trotz verbesserter Konjunktur wohl mit der Ausgabenentwicklung nicht ganz mithalten können. Die Gründe sind vor allem die mit rund EUR 130 Mio. deutlich negative Zwischenabrechnung 2016 (eine technisch im Finanzausgleich erforderliche Aufrollung des Vorjahres, die mit den Ertragsanteile-Vorschüssen im darauffolgenden März verrechnet wird), einige größere Nachholeffekte durch die Steuerreform 2016 sowie auch die 2017 eingeführte automatische Arbeitnehmerveranlagung, die die Gemeinden durch das geringere Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer jährlich rund EUR 30 Mio. an Ertragsanteilen kosten wird. Dies kann auch nicht durch die ab 2017 jährlich im Durschnitt zusätzlichen rund EUR 130 Mio. „frischen“ Mitteln aus dem Finanzausgleich 2017-2021 kompensiert werden.

Auch 2017 werden die Zinsausgaben der Gemeinden auf äußerst niedrigem Niveau (ähnlich wie 2016) verbleiben. Diese Zinsausgabenentwicklung ergibt sich aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), der variablen Verzinsung des Großteils der Gemeindeschulden sowie des Schuldenabbaus der Gemeinden in den letzten fünf Jahren (EUR 547 Mio.).

Weitere Informationen

Der Gemeindefinanzbericht 2017 für das Rechnungsjahr 2016 bietet die wichtigsten Trends, die sich aus der Analyse der Finanzdaten von Österreichs Gemeinden ergeben. Und er ermöglicht einen umfassenderen Einblick in die Situation der kommunalen Haushalte. Das von der Kommunalkredit Austria in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Gemeindebund und Österreichischen Städtebund erstellte Standardwerk zeigt in einem detaillierteren Umfang Daten zur Einnahmen- und Ausgabensituation der österreichischen Gemeinden. www.kommunalkredit.at/gemeindefinanzbericht2017


[1] Die Verlangsamung der Sozialausgabendynamik ist nur auf zwei Bundesländer zurückzuführen, die Rückgänge gegenüber dem Vorjahr hatten.

[2]   Statistik Austria 2017, Harmonisierter Verbraucherpreisindex – HVPI (Basis 2005).

[3] Die Gemeinden sind verpflichtet, sowohl über die VRV 1997 als auch über die meisten Landesrechte den Schuldendienst für die in Anspruch genommenen Darlehen aus ordentlichen Mitteln (der Schuldendienst stellt eine ordentliche Ausgabe dar) zurückzuzahlen. Diese Vorschrift wird von den Gemeinden eingehalten, eine Schuldentilgung durch Neuaufnahme von Schulden und damit einer weiteren Erhöhung des Schuldenstandes wie etwa beim Bundesbudget ist nicht möglich.

[4] Bruttoinvestitionen – inkl. Investitionen der „Betriebe mit marktbestimmter Tätigkeit“ (A85-89).

[5] Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die größeren Gemeinden viel über ausgegliederte Einheiten investieren, die dem Unternehmenssektor statistisch zugerechnet werden und damit nicht mehr als kommunale Investitionen erfasst werden.

Der Gemeindefinanzbericht zum Download Datei herunterladen: PDFGFB.pdf

06.12.2017