Niederösterreich gehen die Landärzte aus

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Mehr als die Hälfte der niederösterreichischen Landärzte geht in den nächsten zehn Jahren in Pension. Damit droht ein dramatischer Mangel bei der medizinischen Versorgung.

„Ohne wirksame Gegenmaßnahmen wird es in Niederösterreich schon bald zu ernsten Engpässen bei der medizinischen Versorgung auf dem Land kommen, weil der ärztliche Nachwuchs fehlt und leere Arztpraxen nicht nachbesetzt werden können", warnt Dr. Christoph Reisner, Präsident der NÖ Ärztekammer. Wenn nichts passiert, wird man aus seiner Sicht in Niederösterreich bereits in naher Zukunft massive Engpässe und Probleme bei der medizinischen Versorgung in den ländlichen Regionen haben.

NÖ bräuchte mehr, nicht weniger Ärzte

„Harte Zahlen belegen diesen dramatischen Befund: Heute gibt es in Niederösterreich 470 Landärztinnen und Landärzte. In den kommenden fünf Jahren werden etwa 120 davon in Pension gehen, in den kommenden zehn Jahren bereits 240. Ob es möglich sein wird, diese Abgänge durch Nachbesetzungen auch wirklich zu ersetzen, ist allerdings mehr als fraglich."

Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte MR Dr. Dietmar Baumgartner erläutert: „Dabei bräuchte Niederösterreich angesichts der Bevölkerungsentwicklung nicht weniger, sondern immer mehr Ärzte auf dem Land." Fortschritt in der modernen Medizin bedeutet mehr ärztliche Leistungen und einen Anstieg der Behandlungszahlen. Dem müssen natürlich auch höhere Ärzte-Zahlen gegenüberstehen. „Mehr Ärzte, nicht nur in ländlichen Regionen, ist eine Kernforderung der Österreichischen Ärztekammer: Überfällig ist österreichweit ein errechnetes Plus von 1.300 Kassenärztinnen und -ärzten, welches nötig ist, zukünftig die Versorgung optimal und wohnortnah zu sichern." Das umso mehr, als ein zentrales Element der aktuellen Gesundheitsreform eine Verlagerung von Gesundheitsleistungen vom Spital in den niedergelassenen Bereich sein soll.

Wohnortnahe Versorgung wird seit Jahrzehnten konsequent zurückgefahren

„Unzählige internationale Studien belegen, dass mit verbesserter wohnortnaher Versorgung durch niedergelassene Ärzte einerseits die medizinische Versorgung der Bevölkerung an Qualität gewinnt und andererseits die Kosten eingedämmt werden können", so Ärzte-Präsident Reisner. „Speziell Allgemeinmediziner könnten über 90 Prozent der Behandlungen selbst in ihren Ordinationen durchführen. Wenn der politische Wille und die notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden wären."

Doch in Österreich wird die Zahl der Kassenärzte nicht etwa aufgestockt, sondern vielmehr zurückgefahren: Von etwa 8.500 im Jahr 2000 auf 7.600 im Jahr 2010, und das bei einer konstant steigenden Bevölkerungszahl. „Gab es im Jahr 2000 pro 943 Bewohner einen Arzt mit Kassenvertrag, sind es heute schon über 1.100. Solche Zahlen machen den Bedarf an mehr Ärzten mehr als deutlich", so der Ärztekammerpräsident.

Suche nach Nachfolgern ist schwierig

Gründe dafür, warum es oft schwierig ist, Nachfolger für in Pension gehende Landärzte zu finden, gibt es viele", weiß Landarzt Dr. Gregor Lukas Skorjanz. „Der Beruf des Landarztes sei zwar befriedigend, aber oft sehr hart. Ein Landarzt hat durchschnittlich jedes zweite Wochenende und jede zweite Nacht Bereitschaftsdienst." Dieser Dienst mündet in aller Regel direkt in die normale Ordinationszeit am nächsten Tag. „Wochenarbeitszeiten von 70 Stunden und mehr sind deshalb keine Seltenheit, das kann mit der Zeit an die Substanz gehen. Dazu kommen aufgrund der großen Einzugsgebiete die größeren Distanzen in ländlichen Regionen, oft müssen für Hausbesuche viele Kilometer zurückgelegt werden", so die Erfahrung von Dr. Skorjanz.

Ärztliche Kooperationsformen müssen schlank, unkompliziert und bedarfsorientiert sein

Doch wie schafft man es, dass sich junge Ärztinnen und Ärzte wieder verstärkt für den landärztlichen Beruf interessieren? „Abhilfe schaffen können unter anderem eine bessere Finanzierung längerer Öffnungszeiten, die Beseitigung rechtlicher Hürden für Hausapotheken und familienfreundliche Arbeitsbedingungen für Hausärztinnen und Hausärzte", so Dr. Skorjanz weiter. „Doch dazu brauchen wir den politischen Willen und auch die starke Unterstützung durch die Politiker. Beispielsweise bei der Ermöglichung ärztlicher Kooperationsformen: Der Gesetzgeber hat zwar grundsätzlich Gruppenpraxen ermöglicht, diese sind aber in aller Regel gerade für landärztliche Ordinationen ungeeignet. Gebraucht werden schlanke, unkomplizierte und bedarfsorientierte Modelle des gemeinsamen Arbeitens mehrerer Ärzte, damit auch Stoßzeiten wie beispielsweise Grippewellen oder auch Visiten und Nachtdienste besser abgewickelt werden können."

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14.08.2013