OGH befreit FPÖ Gemeinderäte aus Geiselhaft

Achtung: dieser Eintrag ist nicht mehr aktuell!

Bereits in der Februar-Ausgabe der NÖ Gemeinde (Seite 19) haben wir über die dubiosen Verpflichtungserklärungen im Kreise der FPÖ betreffend die Entrichtung der Parteisteuer berichtet und unter dem Gesichtspunkt des freien Mandats in Frage gestellt. Es ging im Wesentlichen um „Knebelungsverträge“, die die FPÖ-Mandatare zur Bezahlung von 70 Prozent!! ihrer Bezüge an die Partei verpflichten und zwar selbst dann, wenn der Mandatar aus der Partei austritt. Die FPÖ hat einen dieser „Abtrünnigen“ auf Entrichtung der Parteisteuer für den Zeitpunkt nach seiner Abspaltung (er blieb als so genannter „Wilder“ im Gemeinderat) geklagt. Nachdem die Vorinstanz unter Bezugnahme auf die unterschriebene Verpflichtungserklärung im Sinne der FPÖ entschieden hatte, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in seiner Entscheidung 6 Ob 54/10z nun derartigen bedingungslosen Unterwerfungserklärungen im Hinblick auf das Prinzip des „freien Mandats“ (vgl. Art. § 56 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz) und der Sittenwidrigkeit (§ 879 Abs. 1 ABGB) eine klare Absage erteilt.
 
Zwar spricht sich der OGH nicht grundsätzlich gegen die Zulässigkeit von Parteisteuern aus. Diese sind im Allgemeinen unbedenklich. Unter bestimmten Umständen können Sie jedoch verfassungswidrig sein und damit auch nicht einklagbar. Der OGH führt dazu aus: „Stehen den von Mandatsträgern (jedenfalls auf Gemeindeebene) vereinbarungsgemäß zu leistenden Parteisteuern konkrete, in Geld bewertbare Gegenleistungen für den einzelnen Mandatsträger gegenüber, kann die zu leistende Parteisteuer nicht im Sinn des Art. 56 Abs. 1 B-VG (bzw. gleichlautender Bestimmungen in Gemeindeordnungen) und § 879 Abs. 1 ABGB als sittenwidrig angesehen werden.“
 
Die Verpflichtung zur Entrichtung der Parteisteuer über die Fraktionszugehörigkeit hinaus geht aber zu weit: „In diesem Fall fallen nämlich denknotwendigerweise die von der klagenden Partei als Gegenleistungen versprochenen Kostenübernahmen sowie die sonstige Unterstützung durch die klagende Partei weg.“
 
Ein Mandatar, der neuerdings für seine eigene Gruppierung tätig ist, müsste nämlich alle Ausgaben selbst tragen, hätte aber bei einer andauernden Belastung mit der Parteisteuer für seine „alte“ Fraktion nur deutlich geschmälerte Mittel zur Verfügung. Das würde ihn wirtschaftlich dazu zwingen, seine Loslösung von der Partei zu unterlassen, was dem Prinzip des freien Mandates widerspricht bzw. als sittenwidrig anzusehen ist. 

Mag. Christian Schneider
  
 

10.08.2010