Die Abschaffung des
Pflegeregresses belastet die Gemeindefinanzen enorm und rüttelt zudem am
Stabilitätspakt. Daher fordert der Gemeindebund das Aus von
kostspieligen Beschlüssen vor der Wahl und das Ende von zusätzlichen
Kosten zulasten Dritter.
Die Entscheidung des Nationalrates zur
Abschaffung des Pflegeregresses trifft die Länder und Gemeinden hart:
Konnte vor der Abschaffung des Pflegeregresses zur Finanzierung der
Pflege auf das Vermögen von Personen, die in stationären
Pflegeeinrichtungen betreut werden, zugegriffen werden, ist dies seit
dem 1. Jänner 2018 nicht mehr möglich. Stattdessen müssen Länder und
Gemeinden für die Kostendeckung aufkommen, wodurch die kommunalen
Haushalte enorm belastet werden.
"Wir haben Verträge mit dem Steuerzahler, dass wir
nicht mehr ausgeben als wir einnehmen. Der Bund belastet die
Gemeindefinanzen aber durch die Abschaffung des Pflegeregresses ohne
ausreichende Abgeltung der Mehrkosten enorm. Wenn wir diese Verträge -
Stabilitätspakt und Finanzausgleich - einhalten wollen, müssen wir
andere Ausgaben zurückstellen", so Gemeindebund-Präsident Bgm. Mag.
Alfred Riedl. Diese Kürzungen beträfen vor allem Ermessensausgaben bei
Straßen, den Kinderbetreuungsausbau und andere notwendige Investitionen.
Gemeinsam mit Vizepräsident LAbg. Bgm. Rupert Dworak und Arbeits- und
Sozialforscher Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal präsentierte er am 12.
Februar 2018 die gesammelten Resolutionen und Forderungen für die
nächsten erforderlichen Schritte.
Mehr als die Hälfte der Gemeinden beschließt Resolutionen
Aus diesem Grund hat der Gemeindebund die Gemeinden
dazu aufgerufen, Resolutionen zu beschließen, um gegen die Entscheidung
des Nationalrates vorzugehen. Die Resonanz war groß: Mit über 1.150
Gemeinden haben mehr als die Hälfte der österreichischen Gemeinden im
Gemeinderat die Resolutionen des Gemeindebundes beschlossen. So konnte
seitens der Gemeinden ein starkes Zeichen im Hinblick auf die
Pflegeregressentscheidung des Nationalrates gesetzt werden.
Kommunale Pflegeausgaben steigen zusätzlich
Die Bruttoausgaben der Länder und Gemeinden für die
Langzeitpflege betragen aktuell rund dreieinhalb Milliarden Euro. Rund
40 Prozent davon (etwa 1,5 Mrd. Euro) stammen aus privaten
Eigenleistungen wie etwa Pensionen, Beiträge oder Ersätze. Die
Netto-Ausgaben von rund zwei Milliarden Euro teilen sich die Länder und
Gemeinden nach dem jeweiligen Sozialhilfegesetz auf, häufig 50 zu 50.
Der Bereich der sozialen Wohlfahrt, der neben der
Pflege vor allem auch die Mindestsicherung, die Jugendfürsorge und die
Behindertenhilfe umfasst, gehört seit vielen Jahren zu den am stärksten
steigenden Ausgabenbereichen in den kommunalen Budgets.
Zukünftige Herausforderungen
Die Probleme, die die Abschaffung des
Pflegeregresses mit sich bringt, bedeuten nicht nur gegenwärtig eine
gewaltige Kostenlawine für die Gemeinden, sondern führen auch zukünftig
zu kommunalen Herausforderungen. „Das Gesetz über die Abschaffung des
Pflegeregresses ist mit heißer Nadel genäht und wirft viele Fragen auf.
Dies kann zu jahrelanger Rechtsunsicherheit führen, wenn nicht umgehend
eine Novelle erfolgt", erklärt der Sozial- und Arbeitsrechtsexperte
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal. In Zukunft würden in Folge der
Abschaffung des Pflegeregresses weniger Menschen selbst für ihre
Pflegekosten aufkommen. "Gleichzeitig werden Menschen schneller ins
Pflegeheim gehen, weil sie sich die Pflege zu Hause ja weitgehend selbst
zahlen müssten", so Mazal.
Vorgesehener Kostenersatz nur Tropfen auf dem heißen Stein
Riedl sieht nicht ein, dass Länder und Gemeinden als
Ausfallshafter für den Bund dienen sollen, der durch die Aktion das
funktionierende Versorgungs- und Finanzierungssystem kaputt gemacht hat.
"Die zugesagten 100 Millionen Euro werden nur einen Bruchteil der zu
erwartenden Kosten abdecken und bringen den Stabilitätspakt in Gefahr",
warnt der Gemeindebund-Chef. In den Ländern rechnet man mit weitaus
höheren tatsächlichen Kosten. Allein in Oberösterreich werden die
anfallenden Mehrkosten etwa 71 Millionen Euro betragen. Der derzeit für
das Bundesland vorgesehene Kostenersatz von 16,7 Millionen Euro ist
dabei lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Einhaltung des Stabilitätspakts unsicher
Riedl zeigt Bedenken, den Stabilitätspakt auch 2017
weiterhin einhalten zu können. "Die ersten Rückmeldungen bereiten mir
eher Anlass zur Sorge", so der Gemeindebundchef. Durch die jüngste
Steuerreform sind die Ertragsanteile eher verhalten gestiegen. Die gute
Konjunktur ist daher nicht in den Gemeindebudgets angekommen. Sehr wohl
angekommen sind aber die Steigerungen bei vielen unserer Ausgaben, auf
die wir keinen Einfluss haben - vor allem im Gesundheits- und
Sozialbereich.
"Wollen wir 2018 ausgeglichen budgetieren, müssen
wir andere Ausgaben zum Beispiel in der Erhaltung und Modernisierung der
kommunalen Infrastruktur oder beim Ausbau der Kinderbetreuung
streichen. Schon in der Finanzkrise mussten wir bei den
Ermessensausgaben auf die Bremse steigen. Werden aber Straßen nicht
rechtzeitig saniert oder Investitionen in die Wasserversorgung
aufgeschoben, wird es am Ende noch teurer."
Gemeinden dienen nicht als Ausfallshafter für Bund
„Es war höchst an der Zeit, der Regierung zu zeigen,
dass wir nicht als Ausfallshafter für jedes und alles dienen können.
Daher haben wir in den letzten Monaten auf unseren Aufruf, Resolutionen
zu beschließen, eine unglaubliche Welle an Rückmeldungen erhalten.“ Über
1.150 Gemeinden haben in den vergangenen Monaten im Gemeinderat
Resolutionen beschlossen, um die Regierung aufzufordern, die
tatsächlichen Mehrkosten durch den Wegfall des Pflegeregresses
abzugelten.
„Das ist ein lauter Ruf, den die Regierung nicht
überhören sollte. Wir haben mobilisiert und gezeigt, dass wir wie in der
Vergangenheit mit einer Stimme sprechen. Wenn es um die Sache geht, ist
die Parteizugehörigkeit nicht wichtig“, mahnen die
Gemeindebund-Spitzen. „Seit 1. Jänner müssen die Länder und Gemeinden
die steigenden Kosten tragen. Darum fordere ich die Regierung auf, sich
schnellstens um einen Ersatz der tatsächlichen Kosten zu kümmern. Denn
wer anschafft, der soll auch zahlen“, so Riedl.
Mindestsicherung: Ausgaben um 62 Prozent gestiegen
„Mit den Überlegungen, die Notstandshilfe in die
Mindestsicherung zu geben, rollt gleich die nächste Kostenlawine auf uns
zu“, so Riedl verärgert. Gerade in der Mindestsicherung sind die Kosten
in den letzten Jahren explodiert. Die Zahl der Bezieher hat sich von
2012 bis 2016 um fast 40 Prozent erhöht. Die Ausgaben sind im selben
Zeitraum sogar um 62 Prozent (von 571,3 Mio. EUR auf 927,2 Mio. EUR)
gewachsen. Auch hier steuern die Gemeinden 30 bis 50 Prozent der Kosten
bei.
„Wenn die Bundesregierung diese Maßnahme umsetzen
möchte, muss sie die Mindestsicherung nicht nur österreichweit
vereinheitlichen, sondern auch Finanzierungsverantwortung übernehmen“,
sagt Mazal.
Keine Beschlüsse mit hohen Kosten mehr
Der Gemeindebund fordert daher das Aus von
Beschlüssen mit hohen Kostenfolgen in der Zeit vor Wahlen, wie es etwa
schon 2008 der Fall war. Die Kostenpunkt der damaligen Beschlüsse: 4,3
Milliarden Euro. Die letzten Beschlüsse vor der Wahl 2017 verursachten
Kosten in der Höhe von 800 Millionen Euro. "Es ist positiv, dass die
Regierung nun in ihrem Programm festgeschrieben hat, solche Beschlüsse
gesetzlich zu verhindern. Das sollte auch umgesetzt werden, um ähnliche
Situationen in Zukunft zu verhindern", fordert Riedl.
"Wer anschafft, soll auch zahlen!"
Desweiteren fordert der Gemeindebund die Übernahme
der Kosten durch denjenigen, der derartige Gesetze beschließt: nämlich
den Bund. Zusätzlich entstehende Kosten, wie das Verbot des
Vermögensregresses in der stationären Pflege, wurden im Finanzausgleich
nicht mitvereinbart oder gar eingerechnet. Können die Gemeinden den
Stabilitätspakt nicht einhalten, drohen Sanktionen bei Nicht-Einhaltung
der Budgetziele. Der paktierte Kostendämpfungspfad in der Pflege sieht
maximale Steigungen von 4,6 Prozent vor. In einigen Bundesländern liegen
die prognostizierten Steigerungen der Pflege und Sozialhilfekosten aber
im zweistelligen Bereich. Das kann sich nicht ausgehen.
Daher fordert der Gemeindebund-Präsident ein Ende
von zusätzlichen Kosten zulasten Dritter: „Die Gemeinden haben es satt,
als Ausfallshafter für den Bund zu dienen. Mit den Resolutionen haben
wir bewiesen, dass wir uns das nicht länger gefallen lassen. Der Bund
muss endlich auch die finanziellen Folgen für Gesetze tragen, die er
beschließt.“