Umfrage: Bürger wollen Schuldenbremse und Sparkurs

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Zum bereits sechsten Mal ermittelte die OGM im Auftrag des Österreichischen Gemeindebundes und der Kommunalkredit die Stimmungslage der Bürgermeister/innen und der Bevölkerung, um herauszufinden, welche Leistungen sie verlangen, wofür sie bereit sind, mehr zu zahlen und in welchen Bereichen sie bereit sind, auch in Eigenverantwortung Dienste zu übernehmen.

Zum Thema Leistungen der öffentlichen Hand wurden 2011 die Österreicherinnen und Österreicher von der OGM (Österreichische Gesellschaft für Marketing) befragt. Insgesamt wurden 454 Bürgermeister/innen online und 973 Bürger/innen aus Gemeinden bis 10.000 Einwohnern telefonisch interviewt. Daraus lassen sich wesentliche Stimmungslagen und Handlungsanleitungen für die Gemeindepolitik der Zukunft ableiten.

Die Mehrheit der Bürger und Bürgermeister ist sich sicher, dass die öffentl. Leistungen nicht mehr finanziert werden können.Realistische Einschätzung der finanziellen Lage

Ohne Utopien bewerten Bürgermeister und Bevölkerung die Finanzierbarkeit der öffentlichen Leistungen: 72 Prozent der Bürgermeister/innen und 47 Prozent der Bevölkerung halten diese Leistungen künftig nicht mehr in gleichem Maße für finanzierbar wie bisher. Kommunalkredit-Vorstandsvorsitzender Mag. Alois Steinbichler legt die Lage bei der Pressekonferenz dar: "Es besteht nach wie vor kein Problem in der Finanzierbarkeit der kommunalen Erfordernisse. Die Kommunen genießen attraktive Kreditkonditionen, jedoch ist die Frage der langfristigen Bedienbarkeit der Verbindlichkeiten zu stellen."

Keine Toleranz gegenüber weiterem Schuldenmachen gibt es auf beiden Seiten."Keine neuen Schulden"- einhelliger Tenor bei beiden befragten Gruppen

Eine klare Antwort erhielt die OGM bei der Frage "Sollen weitere Schulden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Leistungen aufgenommen werden?". Ganze 85 Prozent der Bürgermeister/innen und 83 Prozent der Bürger/innen sind gegen die Neuaufnahme von Schulden. Gemeindebund-Präsident Bgm. Helmut Mödlhammer resümiert: "Diese Haltung hat sich in den letzten Jahren noch deutlich verstärkt. Die Menschen haben zunehmend kein Verständnis dafür, dass man dauerhaft mehr Geld ausgibt, als einnimmt."

Mehr Mut zur Eigenverantwortlichkeit gibt es in der Bevölkerung.Bei den Lösungsvarianten stellt sich ein überraschendes Bild heraus: Die Möglichkeit, dass die Menschen Leistungen in Eigenverantwortung übernehmen, stellt für 72 Prozent der Bürgermeister/innen und für 66 Prozent der Bevölkerung einen gangbaren Weg dar. Die Auslagerung der Leistungen an private Unternehmen zu marktgerechten Preisen ist für immerhin 53 Prozent der Bürgermeister/innen und 51 Prozent der Bürger/innen eine andere denkbare Lösung. Die naturgemäß größte Diskrepanz gibt es bei der Lösungsmöglichkeit "Die Leistungen bleiben gleich, die Kosten dafür erhöhen sich aber" - Zustimmen konnten hier 52 Prozent der Bürgermeister/innen, aber nur 17 Prozent der Bevölkerung.

Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Sommergespräche und der OGM-Befragung:

1. Die Zeit des Schuldenmachens ist endgültig vorbei: Sowohl Bürgermeister/innen, als auch die Bevölkerung sind sich darüber einig, dass keine neuen Schulden gemacht werden sollen, um künftig öffentliche Leistungen zu finanzieren. Folgerichtig haben sich die Gemeinden im Stabilitätspakt auch dazu verpflichtet, bundesländerweise ausgeglichen zu wirtschaften. Der erwartbare Anstieg der Zinsbelastungen sowie die Abflachung der Einnahmensteigerungen stellen die Gemeinden dabei vor gewaltige Herausforderungen.

2. Schluss mit der Gratis-Mentalität:

Nicht alle Leistungen müssen künftig gratis sein. Die Menschen haben großes Verständnis dafür, dass die öffentliche Hand nicht alles zum Nulltarif anbieten kann. Eine soziale Staffelung bei Förderungen und Tarifen ist generell anzustreben.

3. Mut zur Kostenwahrheit:

Den Menschen ist die Wahrheit darüber, wieviel welche Leistungen der Gemeinde kosten, durchaus zumutbar. Die Gemeinden haben die Aufgabe, die Kostenwahrheit zum obersten Prinzip ihres Handelns zu machen.

4. Eigenverantwortung belohnen, statt Engagement zu behindern:

Eines der wichtigsten Ergebnisse der OGM-Umfrage ist, dass die Menschen in hohem Ausmaß bereit dazu sind, eigenverantwortlich zu handeln. Bürokratische Regeln und Versicherungsfragen sind hier die größten Hemmnisse. Um den steigenden Pflegebedarf zu decken ist es erforderlich, dass bedürftige Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden gepflegt und betreut werden.

5. Bonus-System für Freiwilligenarbeit:

Außer gelegentlicher Anerkennung haben viele Freiwillige derzeit oft keine Vorteile aus ihrem Engagement. Deshalb wird es auch zunehmend schwieriger Führungspositionen im Freiwilligenbereich zu besetzen. Ein Feuerwehrkommandant oder ein Vereinsobmann wendet viele Stunden pro Woche für diese Arbeit auf. Hier sind Bonus-Systeme, vor allem für Führungsfunktionen, anzudenken.  

Auch für die Gemeinden selbst zieht Gemeindebund-Chef Mödlhammer einige sehr konkrete Schlussfolgerungen:

1. Die Gemeinden werden den Gürtel auch weiterhin enger schnallen müssen:

Jede Ausgabe ist sehr konkret zu hinterfragen. In vielen Bereichen müssen privatwirtschaftliche Mechanismen eingesetzt werden. Vor allem in der Budgetkontrolle und in der Wirtschaftsberatung sind bei Bedarf externe Experten hinzuzuziehen.

2. Investitionen auch auf Folgekosten überprüfen:

Bei einer Investition müssen Berechnung und Berücksichtigung allfälliger Folgekosten Bestandteil der Planung sein.

3. Zusammenarbeit unter den Gemeinden stärken:

Fast alle Gemeinden sind schon Teil mehrerer Gemeindeverbände. Potential zur weiteren Zusammenarbeit gibt es vor allem noch in den Bereichen der Buchhaltung, der Lohnverrechnung und der Bauverwaltung. Nachdem nicht jede Gemeinde über Detail-Know-How in heiklen juristischen Fragen verfügt, sollten Gemeinden gemeinsam auf spezialisierte Juristen zugreifen können.

Auch in der Infrastruktur gibt es noch Potential. Gemeinsame Kindergärten, aber auch gemeinsame Pflichtschulen sind weiter zu forcieren. In vielen Regionen betreiben schon jetzt Gemeinden gemeinsam solche Einrichtungen, mit großem Erfolg. Auch gemeinsame Beschaffungssysteme sind künftig auszubauen.

02.08.2011